Der nächste große Moment

geschrieben am 18.08.2011

2011_08_18_Bild1_grossEs gibt 54 Naturdenkmäler in Oldenburg: 53 Bäume und einen Findling. Auf dem Findling hat sich angeblich Graf Anton Günther einmal ein paar Minuten lang ausgeruht. Ich weiß nicht, ob das der Grund ist, warum der Stein unter Naturdenkmalschutz gestellt wurde. Ich weiß ohnehin wenig über ihn, das Internet ist da sehr schweigsam.

Der Findling ist wahrscheinlich über eine Milliarde Jahre alt, seit Jahrtausenden liegt er an seinem Platz in der Auguststraße, lange bevor es die Auguststraße gab, lange bevor es überhaupt Straßen und Auguste gab, und alles, was ich über ihn weiß, ist, dass sich irgendwann einmal ein Graf auf ihn gesetzt hat. Angeblich. Das war sein großer Moment. Und nun steht er dort geschützt herum und wartet auf den nächsten großen Moment. Steine sind geduldig. Sie können warten bis alle Straßen und Auguste wieder verschwunden sind, bis auch die Naturdenkmalverordnungen verschwunden sind, und er sich endlich aufmachen kann, ganz langsam, wie Steine das tun, die ehemalige Ausguststraße hinunter, die ehemailge Ofener Straße entlang, auf die ehemalige E22 und dann weiter, immer weiter in die ehemalige Welt hinaus.

Flitterwochen

geschrieben am 24.08.2011

2011_08_24_Bild1_grossIch weiß wenig über die Verbreitung des Konzepts der romantischen Liebe bei Kleingefleckten Katzenhaien. Fische sind ja ohnehin recht verschlossen. Ich habe also keine Ahnung, wie ihre Haltung zur Zwangsheirat aussieht, ob sie überhaupt eine Haltung dazu haben oder ob sie, darauf angesprochen, nur genau so fischig herumglotzen würden, wie sie es gemeinhin tun.

Deshalb weiß ich natürlich auch nicht, was der Katzenhai im Landesmuseum Natur und Mensch davon hält, dass ihm nun ein Katzenhai-Weibchen mit in sein Becken gesetzt wurde, als Geschenk des Klimahauses Bremerhaven. Vielleicht ist es Liebe auf den ersten Blick zwischen den beiden, vielleicht eine langsame Annäherung, die in gegenseitigem Respekt, Anerkennung der jeweiligen Bedürfnisse und guten Gesprächen mündet. Vielleicht entdecken sie gemeinsame Hobbies, Schwimmen zum Beispiel. Vielleicht ist der Sex so überwältigend (schließlich haben laut Wikipedia Katzenhaimännchen zwei Penisse), dass es sie nicht stört, dabei von Schulklassen beobachtet zu werden, vielleicht sorgt sogar genau das für den besonderen Kick.

Vielleicht können sie aber auch rein gar nichts miteinander anfangen. Das Aquarium ist nun noch ein wenig enger. Sie schwimmen sich gegenseitig auf den Flossen herum, nerven einander mit dem ewigen Geblubber und irgendwann wird sich halt gepaart, weil die Natur das so will, und anschließend verkriechen sich beide wieder in ihren jeweiligen Beckenwinkel und träumen vom Meer.

Doch das sind alles Vermutungen, was auch sonst. Ich kann den beiden nur viel Glück wünschen. Bis dass der Tod sie scheidet.

Oldenburg in vier Sätzen

geschrieben am 26.08.2011

2011_08_26_Bild1_grossAls virtueller Stadtschreiber muss man eine ganze Reihe von Interviews zu seiner vagen Aufgabe geben. Auch gerade gestern erst wieder, weil anscheinend immer noch Sommerloch ist. Ich bin nicht besonders gut in Interviews. Ich sehe es den Fragenden an, dass ich nicht besonders gut darin bin, an ihrem leicht gequälter Gesichtsausdruck, weil sie so gerne etwas Knackiges hören wollen, aber aus mir einfach nichts Knackiges herauskommt. Sie versuchen dann nachzuhelfen. Von allen Fragenden wurde ich gebeten, in drei Sätzen (manchmal auch nur einem) zu formulieren, was Oldenburg für mich ist. Ich rede mich aus dieser Bitte immer irgendwie heraus, erzähle etwas davon, dass es für jemanden, der Bücher schreibt, schließlich fatal wäre, etwas in drei Sätzen sagen zu können, aber das ist eine denkbar schwache Ausrede.

Und natürlich würden mich diese drei Sätze selbst interessieren. Ich bin schließlich auch ein Freund der Knackigkeit. Aber mir bleibt als Interviewpartner wieder nur das Internet. „Oldenburg ist…“ gebe ich vor, und das Internet ergänzt ohne sich lange herauszureden: „Oldenburg ist Stadt der Wissenschaft“, „Oldenburg ist doof“ und „Oldenburg ist Meister“.

Das klingt etwas patzig, etwas lustlos, und gehörig genervt. Das Internet ist also auch nicht besonders gut in Interviews. Es sieht meinen leicht gequälten Blick und fügt noch einen vierten Satz hinzu: „Oldenburg istanbul“. Immerhin knackig. Danke für das Gespräch.

P.S.

geschrieben am 31.08.2011

2011_08_31_Bild1_grossVielleicht ein Zufall, aber wenn ein sehr hübscher:

Seit meinem gestrigen Eintrag fehlt auf der NDR-Artikelseite der Link zu diesem Blogbuch. (Nach verwirrter Nachfrage: Ich meinte den Kasten oben rechts, den es gestern noch gab. Auf dem Bildschirmfoto vom Cache mit wahnsinnig guten Augen noch zu entziffern. Mein Link in den Kommentaren ist noch da, obwohl ich, glaube ich, gegen die Forenregeln verstoße.)

Und ach Gottchen, der Artikeltext wurde auch angepasst. Nun wird mir nicht mehr nahe gelegt, Oldenburg doch bald einmal zu besuchen. NDR, du heimlicher Schlingel.

Und als letztes: Kann mir jemand einen guten Anwalt empfehlen. Obwohl: ein schlechter tut es auch.

2011_08_31_Bild2_grossP.P.S.: So, nun ist auch mein Link auf den Blogbucheintrag, den ich in den Kommentaren zum NDR-Beitrag gepostet hatte, verschwunden. Warum musste ich auch selber auf die Verletzung der Forenregeln hinweisen.

Da steht klipp und klar:

7. Keine Links, die diesen Regeln widersprechen. Verzichten Sie bitte in Ihren Beiträgen darauf, für Ihre eigenen oder für andere Webseiten zu werben. Selbstverständlich sind auch Links zu rassistischen, sexistischen, pornografischen, strafbaren oder anderweitig inakzeptablen Inhalten unzulässig. Für die Inhalte fremder Webseiten können wir keine Verantwortung übernehmen.

Und ich habe ja auch tatsächlich unter einem Beitrag über das Blogbuch für das Blogbuch geworben. Unverfroren, nicht wahr (diabolisches Kätzchenkraulen).

Ich versuche es gleich noch einmal.

Die wahre Schönheit

geschrieben am 03.09.2011

2011_09_03_Bild1_grossIch muss die Hagelkörner schon wieder vertrösten, die Zeit drängt, ich habe keine Zeit für Hagelkörner, in einer Woche ist doch schon die Miss-Oldenburg-Wahl im Einkaufszentrum Wechloy, und ich habe noch nicht meine Bikinifigur, ich habe noch keine Antworten vorbereitet („Weltfrieden“ ist irgendwie durch), ich habe mich noch nicht einmal angemeldet. Online ist mir das zu heikel, der Post traue ich nicht mehr, seitdem ich las, dass ein Postsack fünf Tage lang in einem Oldenburger Hauseingang lag, also muss ich wohl persönlich vorbeigehen (was persönlich für einen virtuellen Stadtschreiber so heißt).

Praktischer Weise sitzt die „Miss Germany Corporation“ (MGC) nämlich in Oldenburg, und lustigerweise ausgerechnet in der Tangastraße (nichts gegen die Tangastraße, man wohnt da sicherlich hervorragend). Ein etwas verstecktes Gebäude ist es, nahe den Bahngleisen, in beruhigender Nähe vom Polizeikommissariat, vom inform-Fitnessstudio und, nunja, vom NDR-Landesstudio.

Ich weiß nicht genau, was ich dort erwarten soll. Eine Art friesische Playboy-Mansion? Eine hochtechnisierte Schönheitsbewertungsfabrik? Nein, die MGC scheint im Grunde ein Familienunternehmen zu sein. Es gibt Horst Klemmer, den Gründer und Seniorchef, seinen Sohn Ralf Klemmer, der als Geschäftsführer fungiert, und dessen Frau Ines Klemmer, ehemalige Miss Germany und nun für Booking&Moderation verantwortlich. Mit meiner Bewerbung würde ich sie bestimmt gerade beim gemeinsamen Kuchenessen stören (Streuselkirsch), was sie sich aber nicht anmerken lassen, mir sogar noch das letzte verbleibende Stück anbieten. Ralfs und Ines’ Sohn tobt durch den Garten, im Wohnzimmer sitzen die Onkels und Tanten und sichten anerkennend Bewerbungsfotos, die Großmutter näht im Ohrensessel die Bademode für das Schaulaufen, zahllose Nichten und Neffen basteln Scherpen, schmieden Gewinnerkrönchen und verpacken liebevoll die Kosmetikpräsentkörbe. Man plaudert, man setzt noch einen Kaffee auf, später kommen, wie jeden Abend, ein paar ehemalige Missen und Mister vorbei, und auch Klaus & Klaus, deren Manager Horst Klemmer früher einmal war, die bringen Grillgut mit – es wird ein langer geselliger Spätsommerarbend, dort in der Tangastraße 13a. Ich schwanke etwas, wenn ich mich schließlich aufmache, das liegt wohl an „Hottes Zwetschgengeist“, der irgendwann die Runde machte. Und bei der Verabschiedung wird mir Ralf Klemmer sagen, dass ich zwar eigentlich etwas zu alt sei für die Miss-Wahl nächsten Samstag (das Höchstalter ist 28), auch etwas zu viel ein Kind habe (Kinderlosigkeit ist Bewerbungsbedingung), und bei genauerem Hinsehen auch etwas zu sehr ein Mann sei, aber da wolle er noch einmal ein Auge zudrücken. „Denn wahre Schönheit“, raunt er mir zu. „Wahre Schönheit, die zeigt sich nur hier“, und dabei deutet er rätselhafter Weise auf sein Knie, aber ich nicke und sage: „Nur da, Ralf, nur da“, und dann umarmen wir uns zum Abschied, und ich laufe nach Hause, immer die Bahngleise eintlang, die Luft riecht schon nach Herbst, die Sterne glitzern wie tausend kleine Krönchen, und ich fühle mich auf einmal sehr geborgen und sehr aufgehoben und sehr schön.