Unglück, zieh vorüber [ 5 ]

Dann aber wäre da noch die Sache mit dem Aberglauben.

Im Allgemeinen zeichnen sich Wirtschaft und Gesellschaft in Oldenburg durch allerhöchstes Gedeihen und Umtriebigkeit aus, die lediglich an den Sonn- und Feiertagen zum Erliegen kommen.

Anders verhält es sich hingegen an einem Freitag, den dreizehnten. Schon am Abend zuvor wird es still in den Oldenburger Gassen und Straßen, die Bürger ziehen sich zurück.

Das ist das Startsignal der sogenannten Spökenweiber. Aus dem Kellergewölbe des Oldenburger Rathauses wird sodann der Spökenschleier hervorgeholt – ein Tuch, etwa anderthalb mal so groß wie Oldenburg. In jahrelanger Schneiderinnenarbeit wurde es von den Spökenweibern zusammengenäht, und mit den Worten bestickt Unglück, zieh vorüber. 

Noch vor Mitternacht wird es sorgfältig über die Häuser, Kirchdächer und Türme Oldenburgs gezogen und an ein paar Scheunen und Zaunpfählen des Stadtrandes befestigt. Am Morgen des 13., wenn Oldenburg aufwacht, befindet es sich bereits sicher versteckt unser einem beige-grünen Tarntuch, das es mit seiner Umgebung verschmelzen lässt.

Wenn nun also das Unglück von Norden her sich auf den Weg über das Land macht, verpasst es Oldenburg, und vage nur prägt sich ihm die Aufforderung ein, vorüberzuziehen und mit umso größerem Furor auf die südlicher gelegenen Landesteile hinabzufahren.