Das starke Geschlecht [ 13 ]

Aber einmal war es selbst in Oldenburg soweit: Es stand so schlecht um die Stadt, dass der große Häuptling Anton meinte, es sei alles verloren, der Untergang stehe unmittelbar bevor. Oldenburgs Ende, so schien völlig klar zu sein, war besiegelt.

Dabei war die Räuberschar, die sich am frühen Morgen durch ein nur nachlässig verschlossenes Stadttor geschlichen hatte, gar nicht einmal größer als die Gruppen, die man sonst schon aus der Ferne kommen sah und sich manchmal so sehr über sie moquierte, dass man sie versehentlich in die Stadt gelangen ließ – wo man sie dann, zur allgemeinen Belustigung, für ein paar Tage in die so typischen Oldenburger Erdlöcher steckte.

Größer war die Räuberschar also nicht. Aber sie war bis an die Zähne bewaffnet, ausstaffiert mit Tierfellen, die Gesichter bemalt mit etwas, das nach Blut aussah; den Kindern schauderte es, den Männern schauderte es, selbst der große Häuptling war ratlos.

Einzig die Frauen von Oldenburg nahmen sich ein Herz, stiegen – als wäre es vereinbart worden; als sei es unausgesprochene Pflicht aller Bürgerinnen – in die oberen Geschosse ihrer Häuser hinauf, öffneten die Fenster – und ließen ihr Haar herab.

Blondes, braunes und schwarzes Haar wogte durch die Straßen der Stadt, erfüllte jeden Winkel und brandete sogar gegen die Stadttore an. Die Banditen verfingen sich in den hüfthohen Haarsträhnen, stolperten, und wer von ihnen sich einmal verfing, für den gab es keine Rettung mehr.

Nach einigen Stunden blieb den Oldenburger Männern nichts weiter zu tun, als herzugehen und die Räuber aus den Haaren ihrer Frauen zu pflücken. Einer von ihnen, der Jüngste, soll von einer gewissen Dame aus gutem Hause unterschlagen worden sein – was später aufs vehementeste dementiert wurde, natürlich.