Eine Qual [ 16 ]

Es muss im Frühling gewesen sein, vor einigen Jahren vielleicht, da bekamen die Oldenburger Schulen Besuch von einer Delegation aus der Provinz. Lehrer und andere Beamte aus einem fernab gelegenen Örtchen waren angereist und wollten sich einmal besehen, wie die Oldenburger ihre Kinder unterrichteten. Wo so erfolgreiche und einfallsreiche Kaufmänner lebten, dachten sie wohl, da musste man sich einmal umsehen und feststellen, ob man nicht etwas für den Hausgebrauch übernehmen könnte.

Die Überraschung war groß: In der ersten Zeiteinheit, so lernten sie schnell, war das Fach „Durcheinanderschreien“ vorgesehen. Danach folgte „Rhythmisches-Mit-Dem-Kopf-Gegen-Die-Wand-Schlagen“ und in der letzten Doppelstunde lasen die Lehrer den Kindern Texte aus den dümmsten Büchern vor, die ihnen je untergekommen waren.

Daraufhin folgte ein Test, und wenn eines der Kinder auch nur einen sinnvollen Satz niedergeschrieben hatte, bekam es einen Verweis und die Eltern wurden in die Schule zitiert. Als die auswärtige Delegation später beim Bürgermeister Beschwerde über das Erlebte einreichen wollte, wurden sie darüber belehrt, dass es in Oldenburg nicht darum gehe, die Kinder zu mehr Intelligenz zu erziehen.

Vielmehr seien die Oldenburger Kinder von Geburt an so intelligent, dass es völlig unerträglich sei. Genauer genommen wären die Blagen in ihrem hochintelligenten Urzustand eine Qual. Und um sie einem gewöhnlicherem Maß anzupassen, müsse man sie eben verblöden. So sanft wie möglich, versteht sich. Was dabei am Ende herauskomme, sei immer noch überdurchschnittlich genug.