Von Weitem

geschrieben am 31.12.2011

2011_12_31_Bild1_grossWenn man mit Google Earth Oldenburg verlässt, wenn das kleine Fadenkreuz alles einsaugt: die Verkehrsinsel, den Bootsverleih, das Schloss, die Häuserdächer, die Hunte. Wenn die Piktogramme hektisch wie Fehlermeldungen überall aufblinken und schließlich ganz verschwinden, wenn die Städte verschwinden, die Felder verschwinden, wenn sich die Kontinente zusammenziehen. Wenn man dann schließlich im Weltraum schwebt, Auge in Auge mit dem Erdball, wenn die Sterne leuchten, wenn diese Ruhe einsetzt, diese schwere Ruhe, wenn man die Augen etwas zusammenkneift, kann man irgendwo im Norden von Mitteleuropa eine Rakete aufsteigen sehen. Kein Raumschiff, kein Spaceshuttle, eine einfache Silversterrakete, die ein paar Meter auf einen zufliegt und dann mit einem kleinen Funkenregen erlischt. Und wenn man die Augen noch ein wenig fester zusammen kneift, kann man auch denjenigen sehen, der sie abgefeuert hat. Man kann sehen, dass er auf der leerretuschierten Kreuzung Schlosswall Ecke Damm steht, kann man sehen, dass er in den Himmel blickt, dass er winkt, dass er aus Leibeskräften winkt, man kann sehen, dass ich das bin. Man kann sehen, wie ich auf und ab springe, man kann sehen, wie ich mit jedem Sprung tiefer in der Kreuzung verschwinde, wie sie mich verschluckt, wie nur noch mein Oberkörper herausragt, nur noch mein Kopf, nur noch meine winkende Hand, die Fingerspitzen. Dann kann man die Augen wieder öffnen.