Zeitsprung

geschrieben am 16.08.2011

2011_08_16_Bild1_grossEs scheint eine recht kurze Mode in Oldenburg gewesen zu sein, von der Amalienbrücke in die Hunte zu springen. Drei der vier Videos auf youtube von diesem Zeitvertreib stammen aus dem Herbst 2007 (dies, dies und das), das vierte, ein typischer Nachzügler, folgte drei Jahre später.

Es sind ausnahmslos junge Männer, die da springen. Und natürlich denkt man sofort an Mutproben, an verlorene Wetten, an einen Initiationsritus. Als Nichtvonderamalienbrückegesprungenhabender war man damals einfach kein richtiger Mann, der Bartwuchs stockte, die Stimme brach weiter, die Haut machte, was sie wollte. Vielleicht gibt es auch eine alte friesische Sage, in der ein Held nach einem solchen Sprung unverwundbar wurde bis auf die Stelle am Handgelenk, weil er vergessen hatte, seine Digitaluhr auszuziehen.

Vielleicht muss man die Sprünge aber auch einfach als Symptom ihrer Zeit ansehen. Ich kann mich an den Herbst 2007 kaum noch erinnern. Ich muss bei Wikipedia nachschauen, was da alles passiert ist. Es gab eine Blauzungenkrankheit, es gab Erwin Huber als neuen CSU-Vorsitzenden, es gab eine ehemalige Tagesschausprecherin mit putzigen Thesen zum Mutterbild. Alles Dinge, die man schon damals schleunigst vergessen wollte.

Und als junger Mann sehnte man sich wahrscheinlich nach nichts so sehr wie nach der Geradlinigkeit eines Sprungs, nach der Eindeutigkeit eines Aufpralls, der Klarheit von herbstlichem Huntewasser.