geschrieben am 22.11.2012
Stattdessen ging Gerhardi also nach Paris. Dort lernte sie, wie Kia Vahland in der heutigen Süddeutschen Zeitung (zum Glück gibt es ja noch Zeitungen, die am Morgen im Briefkasten liegen!) schreibt, Käthe Kollwitz kennen: „Ida Gerhardi handelte aus Neugierde statt aus Moral, als sie sich mit Nickelbrille, Farbkasten und ihrer Kumpanin Käthe Kollwitz Nacht für Nacht in Pariser Spelunken herumtrieb und mit den Kokotten bald so vertraut war, dass diese beim Röcke schwingen ihre Handtaschen der Malerin anvertrauten.“
Ich kann mir Käthe Kollwitz nicht so richtig Pariser Spelunken vorstellen. Aber so prägt die Kunstgeschichtsschreibung eben auch rückwirkend ein Bild. Bis zum 30. Dezember kann man die Tanzbilder, Portraits und Landschaftsbilder von Ida Gerhardi in Oldenburg bewundern. Und keine Spur vom angeblichen „Wasserleichenton“, den ihr die damalige Kunstkritik vorgeworfen haben soll. Aber warum wurde Ida Gerhardi vergessen? Dafür hat Kia Vahland in der heutigen SZ eine sehr lustige Erklärung: Der Avantgardist muss ja immer irgendwie ein Rotzbengel sein, ein dadaistischer Traditionszertrümmerer, ein expressionistischer Exzessiver, und dann, nach dem Zweiten Weltkrieg, ein Pinselschwinger, der zwischen Farb- und Samenerguss nicht unterscheiden will. Muss er wirklich – oder waren bloß für lange Zeit die Alternativen nicht sichtbar genug?