Dienstag [ 1 ]

In der Mittagspause zur Post. Schlange bis raus auf die Straße. Bestimmt vierzig Leute vor mir, zwei Schalter. Jemand will ein Konto eröffnen. Fick dich, Kontoeröffnen um diese Uhrzeit. Ich will das scheiß Paket abholen und noch was essen.

Wer schickt mir überhaupt was? Hab nichts bestellt. Sechsundzwanzig Minuten anstehen. Arschladen Post.

Riesenpaket, federleicht. Kein Absender. Was soll der Scheiß?

2014_01_21Das Paket ist ein leerer Koffer. Ein beschissener alter Koffer mit nichts drin! Keine Ahnung, was das soll. Was soll das? Wer schickt mir nen leeren Koffer, was soll das bedeuten? Muss ein Fehler sein. Aber wie? Irgendeine Verwechslung in nem Ebay-Konto oder so? Keine Ahnung.

Für nen leeren Koffer zwanzig Minuten durch den Nieselregen gelatscht und ne halbe Stunde angestanden? Made my day.


Kaufe Pommes bei Kismet und setze mich auf den Stromkasten hinter der Brücke. Gucke über die Gleise. Besuche meine Raben, seh mir ihre Spiele an. Sie amüsieren sich gut. Kriegen den Rest Pommes. Die Mayo steht ihnen.

Ob ich denn nicht verzeihen könne.

Natürlich. Als ob ich das nicht oft genug unter Beweis gestellt hätte.

Ich kann. So vieles, was ich kann und nicht tue. Spiel mit den Möglichkeiten. Mhhh.

Verzeihen können heißt nicht verzeihen müssen.

Heute zwei Hunde gemacht. Einen Affenpinscher und einen Havaneser. Gehen natürlich viel schneller als so ein Kalb von Schäferhund. Kann man aber das gleiche Geld für nehmen. Langsam nimmt die Sache Fahrt auf. Ich habe ja immer an diesen Plan geglaubt, auch wenn mir keiner glauben wollte, aber das ist eine Goldgrube. Tierpräparate. Gibt so viele reiche Säcke mit einer abnormen Liebe zu ihren Haustieren.

Im Bus schlagen sich zwei Männer. Was für ein Tag! Ein weißer Alki pöbelt einen jungen Schwarzen an, dass er gefälligst Platz machen soll. Der haut ihm stumpf aufs Maul, ich sitze nur einen Vierer entfernt, Koffer auf dem Schoß, perfekte Sicht. Der Alki springt auf und stürzt sich auf den Jungen. Endlich Action! Mein Herz pumpt. Ich klammere mich am Koffer fest. Sie ringen am Boden miteinander, Fäuste, Tritte, Frauen kreischen, der Bus hält, die Leute wanken, die beiden Prügelnden rollen über den Boden, der Fahrer brüllt durch seine Anlage. Keiner macht was, alle glotzen, manche rufen. Nach zwei Minuten sind die Bullen da, gehen die Türen auf, stürmen zwei Beamte rein und reißen die beiden auseinander. Ich sitze auf meinem Platz wie ein Arsch mit Ohren, den leeren Koffer spastisch auf den Schoß gedrückt. Was denkt die Oma und die vielleicht fünfzehnjährige Türkin neben ihr, wenn sie mich so sehen mit meinem beschissenen alten Koffer? Dass ich eine Reise mache? Von irgendwoher zurückkomme? Dass ich einen an der Klatsche hab? Draußen nehmen die Bullen die Personalien auf und im Bus sortieren sich die Menschen, schütteln ihre Köpfe.

Dann fährt der Bus einfach weiter.

Der Koffer kommt morgen auf den Müll, mir egal, was soll ich mit nem leeren Koffer. Da wird einem EIN MAL fälschlicherweise was geliefert und es ist ein leerer Koffer. Warum nicht einfach mal irgendwas nur ein bisschen geileres? Potenzpillen, Ritalin, Flugticket nach irgendwo. Oder wenigstens ein guter Film, ein Computerspiel. Alles wär besser als ein leerer Koffer. Schraubenzieher, Stabmixer, Eierbecher.

In der Küche im Stehen die kalte Roulade von gestern. Toastbrot. Dann auf den Balkon. Rauche bei minus vier Grad zweiundzwanzig Zigaretten, wärme mich mit dem glühenden Rot. Punkt für Punkt. Verbrenne an einer Stelle und schlottere am Rest des Körpers. Wenn ich mich selber ernst nehme (und im Übrigen auch sie), ist Verzeihen keine Option. Rotwein alle.