Fingerknöchel auf dem Blech meiner Werkstatttür. Riekes Klopfen. Wer sonst? Frauchen klopft nicht an und außer Gruber, der mich weithin ignoriert (so wie ich ihn), weiß niemand, dass ich hier bin. Lohmann kommt erst morgen. Ich stehe wie eingefroren, halte den Atem an. Eine Tasse mit Salzsäure auf meiner Brust. Ihr Klopfen. Dass sie es wirklich wagt.
„Loris?“, fragt sie vorsichtig. Ich muss lauschen, um sie überhaupt zu hören. „Bitte. Mach auf.“
Wenn ich aufmache, fresse ich sie auf. Walze sie um. Stoße sie weg.
Kochende, brodelnde Säure. Wenn es überkocht, schwappt es brennend in mich, frisst es sich ätzend bis ins Mark. Ich will die Tür aufreißen und sie am Nacken packen und zwei Mal, drei Mal scheppernd gegen das Metall schlagen. Dass sie es wagt, dieses dumme, nutzlose Mädchen.
Nur mein Atem. Kein Klopfen mehr. Stille. Sie steht noch da, das kann ich spüren, aber sie steht nur und lauscht. Das Ohr nur einen Zentimeter hinter dem Blech. Und dann schlage ich zu. Explosion. Ich trommele und trete gegen das Blech mit allem, was ich habe und brülle. Soll ihr das Ohr platzen. Soll ihr ein Fiepen für den Rest des Lebens bleiben. Ein ständiges Fiepen, das sich über alles legt, über jeden Moment, jede Empfindung. Träumen mit Fiepen, Küssen mit Fiepen, Einkaufen, Aufwachen, Zähneputzen, Sonnenuntergang mit Fiepen. Wie ein Splitter, du kannst damit leben, aber etwas stört.
„Hau ab!“
Das Blech beruhigt sich. Zittert noch kurz nach, kehrt in die Bewegungslosigkeit zurück. Kein Geräusch bleibt.
“Loris, bitte.“
„Hau ab”, sage ich, drehe mich um und lehne mit dem Rücken gegen die Tür.
“Mach auf …”, antwortet sie leise. Ich höre es, blechverhangen, kitzelnd. “Komm schon.”Ich sinke zu Boden, mein Kopf fällt auf die Knie. Lasse Spucke auf den Boden tropfen. Die Lunge brennt. Riekes Finger tippelt ganz leise oberhalb der Klinke. Sie flüstert meinen Namen. Dann steht es in mir auf, stehe ich auf, fasse nach der Klinke und mit einem schweren metallischen Schaben ziehe ich den Bolzen aus der Verriegelung und reiße die Tür auf. Da steht sie. Rieke. Nur Rieke. Und wie sie einen halben Schritt zurück weicht, nur um Anlauf zu nehmen: Wie einen Vorhang, den sie aufzieht, schiebt sie die Mundwinkel auseinander, öffnet sich, macht auf, lächelt unvorsichtig, und ganz leicht, breitet sie die Arme aus, dreht ihre Hände, dass die Innenseiten zu mir zeigen, hebt sie an, hüfthoch, gestreckt. Rieke und ein Küchenschrank voller Gefühle. Gleißendes Licht. Ich kneife die Augen zusammen.
Dann falle ich. Falle in sie, in ihre Arme. Und wir verschwinden in einer Berührung, die ich vergessen wollte.
“Da bist du ja”, flüstert meine Schwester. Es dröhnt in meinem Schädel.