kommt jetzt jeden tag post vom spinner?
Also nochmal: was will dieser Typ von mir?
Wer könnte das sein? Soll das ein Witz sein?
Ein fremder Mann, der mir seinen Krempel schickt, bevor er abhaut. So viel weiß ich. Er hat irgendwie ein Faible für Koffer und ist ein Spieler. So weit. Mal angenommen, es gibt diesen Mann tatsächlich, was denkt er dann, haben wir miteinander zu tun? Woher kennt er mich und woher hat er meine Adresse?
Warum schickt er mir nicht alles auf einmal? Warum Stück für Stück? Warum diese krummen Briefe? Und was ist das bitte für eine behinderte Schrift? So schreibt doch kein Mensch. Vielleicht schlecht verstellt? Wenn ja, warum? Würde ich sie sonst erkennen?
Warum spielen plötzlich alle Spielchen mit mir?
Wenn ich nicht ich selbst wäre und mich kennen lernen würde, irgendwo, im Sportverein oder am Tresen, ich würde mich nicht mögen. Ich würde mich niemals mit mir treffen wollen. Ich würde mir aus dem Weg gehen, Blicke vermeiden. Ich mag den Typen nicht, der ich bin. Brauche ich deshalb eine Therapie? Wahrscheinlich, oder?
Das Problem ist, dass ich keinen Bock habe, so viel Zeit aufzubringen für diesen unsympathischen Typen, der ich bin. Therapie, das ist wahrscheinlich entweder einfach nur nervig (wenn man es nicht ernst nimmt und absitzt, wie Fahrschultheoriestunden), oder es macht tierisch Arbeit (wenn man sich drauf einlässt), man muss denken, fragen, heulen, leiden und viel Zeit investieren. Zeit, die man nur mit sich selbst verbringt, mit diesem bekackten Typen. Das würde ich nicht aushalten.
Heute in der Post: eine angebrochene Packung Luftschlangen und diese „Lebensweisheit“ (?), die an Mickrigkeit nicht zu überbieten ist.
Briefzentrum 26, sagt der Poststempel. Das ist Oldenburg, sagt das Internet. Oldenburg? Kenne keinen Menschen in Oldenburg. Nie dagewesen. Was gibt’s da? Bauern und Grünkohl, Nieselregen und Friesennerz.
Rottweilers Frauchen hat vier Nachrichten auf der Mailbox hinterlassen. Wird Zeit, sich mal zu melden…
Ich warte auf die Dämmerung und mache mich dann auf den Weg zu Aufsichtsrats Frauchen. Unangekündigter Besuch. Ich weiß nicht, warum ich darauf aus bin, Spiele zu spielen. Mein Gefühl sagt mir: Sie hat damit angefangen. Lass sie nicht die Zügel halten.
Stehe in der Auffahrt, scharre im fein geharkten Kies, rauche gierig. Knispele mit dem Daumen am Namensschildchen neben der Klingel: “Resiak”, drücke die Glutspitze hinein. Brandfleck. Spucke auf den Boden. Klingele.
Sie steht in der offenen Tür, keineswegs überrascht, ganz im Gegenteil, glühend vor Herzlichkeit, energiegeladen und anziehend. Aus der offenen Tür strömt eine wohlriechende Wärme, dahinter liegt die sanfte Helligkeit einer wohligen Höhle. Sie ignoriert die Hand, die ich ihr hinhalte, gibt mir ein Küsschen auf die Wange. Limette, Zaubernuss und Bergamotte.