Virtueller Blues

geschrieben am 18.09.2012

Manchmal bedauere ich es auch, nur „virtueller“ Stadtschreiber zu sein. In den vergangenen Tagen war Filmfest in Oldenburg, und das wäre sicher ein Highlight für einen „realen“ Stadtschreiber geworden. Wenn ich eine kleine Wohnung in der Nähe des Schlosses gehabt hätte, wäre ich sicher in den letzten Tagen losgelaufen und hätte mir so viele Filme angesehen, wie möglich. Das habe ich früher auch bei der Berlinale gemacht, aber Kinder und die Arbeit verhindern das schon seit Jahren. Aber die Kinder wären ja nicht in Oldenburg gewesen (Oder doch? Es war immerhin Wochenende! Gibt es Kinderfilme auf dem Oldenburger Filmfest?). Die Arbeit hätte ich einfach ruhen lassen.

Als ich letzte Woche in Oldenburg aus dem Blogbuch las, fiel mir am Mittwochmorgen im Frühstücksraum des wunderbaren Hotel Altera auf, dass es wesentlich voller war als sonst, und dass offensichtlich schon das Filmvolk in der Stadt war. Es wurde lauter geredet. Deutsch, Englisch, Italienisch. In einer Ecke saß eine Lady (anders lässt es ich nicht sagen) mit einem grauen Pagenkopf, die alles genau zu beobachten schien (Jury? Kritikerin?). Aber dann fuhr ich zurück nach Berlin und erfuhr einiges aus der Presse: Oberbürgermeister Gerd Schwandner (61) humpelte auf Krücken über den Roten Teppich. Er kam direkt aus der Klinik wo er sich einer Knieoperation unterziehen musste. Schwandner: „Das war mir wichtig, hier zu erscheinen.“ (Bild Bremen) Das darf man wohl als Statement zum Filmfest werten, nach den vielen Diskussionen um die Finanzen in den letzten Wochen. Der Tageszeitung DIE WELT entnahm ich Folgendes: Der Schwarz-Weiß-Film „Oh Boy“ hat beim 19. Filmfest Oldenburg abgeräumt. Der Debütfilm des deutschen Regisseurs Jan Ole Gerster erhielt am Sonntagabend nicht nur den „German Independence Award“ als bester deutscher Film, sondern auch den mit 2.000 Euro dotierten Publikumspreis, wie eine Sprecherin sagte. Zudem wurde Hauptdarsteller Tom Schilling für seine schauspielerische Leistung mit dem Darstellerpreis „Seymour Cassel Award“ ausgezeichnet.

Am 1. November kommt „Oh Boy“ auch in die Berliner Kinos. Ich werde ihn mir ansehen und ein bisschen an Oldenburg denken. Versprochen.

Tschüß Tim

geschrieben am 20.09.2012

Tim Borowski war immer dabei und doch nicht zu sehen. Der Mittelfeldspieler war jahrelang als Ersatz, manchmal auch neben Michael Ballack in der Nationalmannschaft eingeplant. Sein Name ist fast untrennbar mit Werder Bremen verbunden, auch wenn er zwei Jahre für Bayern München gespielt hat. Aber diese zwei Jahre waren typisch für Borowski. Man kann sich gar nicht mehr richtig erinnern, wie er im Bayerntrikot aussah. Und jetzt hört er auf, so ähnlich wie er gespielt hat. Unspektakulär. Der Kicker vermeldet seine Knochen wollen nicht mehr so richtig. http://www.kicker.de/news/fussball/bundesliga/startseite/575068/artikel_borowski_das-nehme-ich-fuer-immer-mit.html.

Borowski ist in Neubrandenburg geboren. Dort habe ich in den 80er Jahren eine Lehre zum Schlosser bei der Wasserwirtschaft absolviert, und also habe ich mich dem langen Mecklenburger bei Werder immer verbunden gefühlt. Mit ihm geht eine Ära bei Werder zu Ende. Wiese, Mertesacker, Frings, Naldo, Pizzaro – alle weg. Und nun auch Tim Borowski. Eine Ende ohne viel Lärm. So wie er gespielt hat. Der Kicker schreibt: Nun will sich der 32-Jährige in Bremen neuen Aufgaben widmen: „Werder ist mein Verein. Mit den Verantwortlichen bin ich derzeit in guten Gesprächen, ich denke, in vier Wochen können wir mehr sagen, in welche Richtung es geht.“ Bis Januar wolle er auf jeden Fall eine Auszeit nehmen und sich seiner Familie widmen. – Klingt sehr sympathisch und ich werde ihn vermissen, auch wenn Werder gerade wieder einen ganz ordentlichen Fußball spielt.

Hasenliebe

geschrieben am 25.09.2012

Die Geschichten liegen auf der Straße, sagt der Volksmund. Mich ärgert das eigentlich immer. Oft sagen Freunde von mir, wenn wir gemeinsam etwas Skurriles erleben: „Na, das kannst du doch sicher für eine Geschichte gebrauchen.“ Aber das stimmt selten. Weil die Wirklichkeit oft sehr unwirklich erscheint.

Daran musste ich denken, als ich eine Geschichte für den Text hier suchte. Mein kleiner Sohn und ich sind krank und wir schniefen zu Hause um die Wette. Also habe ich „Oldenburg + Schupfen“ in die Internetsuchmaschine eingegeben. Und wo bin ich gelandet? Im Tierheim Oldenburg. Nach ein paar Einträgen für Apotheken und Ärzte stand da die Geschichte von Björn und Paula. Beides Kaninchen. Er stammt von einem Gnadenhof aus der Nähe von Stade, der schlampig geführt wurde. Viele Tiere verschiedener Arten unter katastrophalen Zuständen. Paula war ein Weihnachtsgeschenk, das die Kinder nach ein paar Wochen nicht mehr haben wollten. Paula hat Schlappohren und Björn ist ein sogenannter Großsilber, was wohl auf seine Fellfarbe deutet. Beide leben in einer Box im Tierheim Oldenburg. Sie mögen sich, sie haben sich gefunden, aber sie sind nicht an neue Besitzer vermittelbar. Weil sie chronischen Schnupfen haben! So etwas gibt es auch bei Kaninchen. La Bohème für Langohren. Keiner will ein dauerniesendes Hasenpaar haben, und deshalb ruft das Tierheim die Oldenburger auf, eine Patenschaft für die beiden Tier zu übernehmen. So, und wer mir diese Geschichte jetzt nicht glaubt, der klicke bitte hier: http://www.tierheim-ol.de/kleintiere_patentiere.php

Rutt

geschrieben am 27.09.2012

Bisher habe ich ja immer die plattdeutschen Wörter gesucht. Im Plattdeutschen Wörterbuch für das Oldenburger Land. Aber auf der Seite des Oldenburger Lokalteils fiel mir nun das Wort – rutt – auf.
Der Oldenburger Lokalteil erzählt eine Liebesgeschichte oder, um einen Romantitel von Reymond Federmann zu zitieren: Eine Liebesgeschichte oder so was. Gisela W. ist heute 65 und sie lebt in Freiburg. In Emden lernte sie als junges Mädchen einen Oldenburger Bundeswehrsoldaten kennen, der sich Charly nannte. Gisela nannte sich Struppi. Die Kaserene in Emden war so etwas wie ein Treffpunkt. „Oh ja, sagt Gisela W., damals 14 oder 15, “alle Frauen standen da”. Auch sie, immer wieder, noch jung, “aber schon auf rutt”, wie sie sagt, auf Hochdeutsch: unterwegs.“ Im Wörterbuch habe ich diesen Ausdruck nicht gefunden. Aber auch die Sprache geht ja manchmal so ihre eigenen Wege. Heute sucht Struppi nun ihren Charly. Auch wenn sie betont, ihn nicht wirklich geliebt zu haben. Aber was wurde denn da so gemacht, Anfang der sechziger Jahre in Emden? Das beschreibt Felix Zimmermann im Oldenburger Lokalteil so: Wenn der Dienst endete, trafen sie sich: Struppi und ihre Freundinnen mit Charly und seinen Kameraden. Sie gingen in die Hohenzollern-Kneipe und tranken Persico, einen Likör, der ursprünglich aus Pfirsichsteinen gewonnen wurde. Tranken? So, wie es Gisela W. sagt, gossen sie ihn in sich rein: “In der Kneipe ‘ne Flasche, und draußen sind wir umgefallen.” Eine schöne Zeit war das, sagt sie, man traf sich, hatte Spaß, “ich möcht’s nicht missen”.
Vielleicht, denke ich mir an dieser Stelle, war früher ja doch nicht alles besser?

Nord-Süd-Klassiker

geschrieben am 02.10.2012

Was waren das für Spiele im Weserstadion und manchmal auch in München. Werder gegen die Bayern. Viele Jahre konnten die Grünen den Roten das Nordseewasser reiche. Und die haben sich ordentlich daran verschluckt. Am Ende wurde Werder hin und wieder Meister oder Pokalsiegern, manchmal sogar beides – in einer Saison! Am Wochenende hielten sie, ehrlich gesagt, besser mit als ich erwartet und befürchtet hatte. Der KICKER schreibt: „Konzentrierte Abwehrarbeit war nach verhaltener Anfangsphase auch weiterhin das Motto, wobei sich dies vor allem Werder gegen immer dominantere, aber noch ohne das ganz große Tempo agierende Münchner auf die Fahne schreiben musste. Echte Chancen blieben Fehlanzeige, der taktische Anzug passte bei den Hanseaten, die zielgerichtete Anspiele aus dem Bayern-Mittelfeld Richtung Spitze mit hoher Laufintensität und guter Organisation schon im Keim zu ersticken wussten.“ Hmmmm. Aber eigentlich war das auch schon das Beste, was man über das Spiel sagen konnte. Denn dann machten die Bayern Ernst, und am Ende war Werder dann doch chancenlos. Steht uns so eine öde Bayern-bestimmt-alles-Saison bevor? Wo die Lederhosen an bleiben und wir uns schon freuen müssen, wenn es eine Spitzenmannschaft schafft sich ein 0:0 über 90 Minuten zu ermauern? Ich befürchte das. Immer wieder wird jetzt gesagt und geschrieben, dass die Dortmunder im letzten Jahr auch einen sieben Punktevorsprung aufgeholt haben. Aber die Bayern haben auf Schalke praktisch ohne Gegenwehr gewonnen, und der alte Rivale von der Weser hatte leider auch nicht die Mittel, ihnen ein Bein zu stellen. Und das waren die Heimspiele! Wer bleibt da also noch? Sollen wir auf Frankfurt hoffen? Auf die unglaubliche Serie der Dortmunder parallel zu einer unglaublichen Negativserie der Bayern? Vielleicht hilft nur: Augen zu und durch – und schon mal die nächste Saison planen!