Rätselhaftes Oldenburg

geschrieben am 27.11.2012

Nach so vielen virtuellen Wochen in Oldenburg und um Oldenburg herum, dachte ich eigentlich meine Gastgeber ein wenig zu kennen. Aber sie schaffen es dann doch immer wieder mich zu überraschen. Im Oldenburger Lokalteil las ich Folgendes: Lange musste die Lokalteilredaktion unruhig auf ihren Stühlen herumhibbeln, bis jetzt endlich wieder eine Klootschießer-Nachricht aus dem Harlingerland in die Redaktionsräume flatterte: „Die Klootschießer hoffen auf einen Winter mit Kahlfrost. Dann können nämlich die ersehnten Feldländerkämpfe zwischen Ostfriesland und Oldenburg über die Bühne gehen“, heißt es im Anzeiger für Harlingerland. Eine Delegation reiste jetzt zum Vermessen an den diesjährigen Austragungsort Stollhamm: „Bei der Abnahme fanden die Delegierten nasse Kleiweiden mit teilweise noch langem Gras vor. Die Weide vor dem Überwerfen des Schwarzen Wegs erwies sich noch als holprig. Den Stollhammern stehen aber landwirtschaftliche Fahrzeuge bereit, um bei einsetzendem Frostwetter für optimale Feldkampfbedingungen zu sorgen.“ Soweit so unklar. Natürlich ist mir das Boßeln bekannt, wenn auch nur virtuell. Die Klootschießer sind aber offensichtlich ein eigenes Völkchen: Die Klootkugel wird zwischen Zeigefinger, Mittelfinger und Daumen gehalten. Der Anlauf beträgt ca. 20 Meter. Anfangs läuft der Klootschießer langsam an. In gleichmäßigen Schritten beschleunigt er seinen Anlauf. Der Wurfarm ist gestreckt und die Wurfhand zeigt in Wurfrichtung. Am Ende des Anlaufes springt der Werfer auf das Sprungbrett und dreht sich seitlich in eine Grätschstellung. Während des Sprunges dreht er seinen Arm in eine schnell Kreisbewegung am Körper entlang und wirft die Klootkugel (bzw. die Klootkugel wird aus der Hand geschleudert).
http://www.klootschiessen.de/

Trotzdem, so mein Verdacht, geht es den Friesen und Oldenburgern nicht nur darum ein Kugel zu schleudern und über gefrorene Wiesen zu stapfen. Wikipedia (http://de.wikipedia.org/wiki/Klootschie%C3%9Fen) klärt auf: Da die Sportart im Winter ausgeübt wurde und in früheren Zeiten die Sportbekleidung aus Unterwäsche bestand, soll es Todesfälle durch Lungenentzündungen gegeben haben. Oftmals wurde während des Wettkampfes viel Alkohol konsumiert. Da es dann zwangsläufig zu ungültigen Würfen kommen musste, wurde oftmals sogar blutig gestritten. Dementsprechend wurde die Sportart gelegentlich durch die Obrigkeit verboten, aber letztendlich setzte sich das Klootschießen immer wieder durch. An dieser Stelle bliebe eigentlich nur Asterix zu zitieren, wenn auch in abgewandelter Form: Die spinnen, die Oldenburger. Aber man soll natürlich seine Gastgeber nicht beleidigen, auch nicht virtuell oder im Scherz, und so wünsche ich denn für den Wettkampf gegen die Friesen: „Lüch up un fleu herut“ (Hebe auf und fliege weit hinaus!).

PS Ein Wurf im Video:
http://www.youtube.com/watch?v=Opc6TlANixY

Die Spur führt nach Cloppenburg

geschrieben am 29.11.2012

Und dort endet sie auch. Vorerst. Morgen, am Freitag 30.11.2012, liest in Cloppenburg Mechthild Lanfermann aus ihrem aktuellen Buch „Wer im Trüben fischt“. Im Bebop. Angeblich eine Musik- und Kulturkneipe. An sich schon verdächtig. Mechthild Lanfermann ist ein Kind der Stadt Cloppenburg. Das heißt, um genau zu sein, sie ist in Kneheim geboren. Und wäre ich jetzt Kommissar Sander, der knöcheltief auf einem vom Regen aufgeweichten Acker im Oldenburger Land steht, dann würde ich genau an dieser Stelle meine Assistentin fragen: „Kneheim? Wo zur Hölle ist Kneheim?“ Und die schnippische Assistentin würde antworten: „Keine Ahnung, Chef. Das Kaff hat nicht einmal einen Wikipediaeintrag.“ Dann würde ich irgendetwas grummeln und den Gerichtsmediziner fragen: „Wann und wie ist denn nun der Tod eingetreten“. Aber ich bin ja gar kein Kommissar, und ich habe auch keine Leiche. Aber Mechthild Lanfermann hat eine. Sie ist Krimiautorin und ihr bei BTB erschienenes Debüt „Wer im Trüben fischt“ ist hoch gelobt. Darum geht es: Die Journalistin Emma hat nach einem Skandal ihre Heimatstadt Bremen verlassen. Gerade versucht sie Fuß bei einem Berliner Radiosender zu fassen, da wird der amerikanische Professor Tom Rosenberg ermordet. Emma berichtet als erste von dem Vorfall in der Universität. Sie findet heraus, dass der jüdische Wissenschaftler deutsche Wurzeln hatte und sich durch seine Publikationen in einigen Zirkeln nicht gerade beliebt gemacht hatte. Bei ihren Recherchen kommt Emma schließlich nicht nur dem ermittelnden Kommissar Edgar Blume in die Quere. Sie deckt eine unglaubliche Geschichte um Neid, Liebe und Verrat auf, die in die Bauhaus-Szene der Vorkriegsjahre reicht und in die selbst honorige Berliner Kreise verstrickt sind. Und merkt fast zu spät, dass der Täter es längst auf sie abgesehen hat … http://www.randomhouse.de/Taschenbuch/Wer-im-Trueben-fischt-Kriminalroman/Mechthild-Lanfermann/e389962.rhd
Mechthild Lanfermann ist außerdem auch eine von mir sehr geschätzte Radiokollegin, und während wir im Deutschlandradio O-Töne schneiden oder Interviews führen, finden wir immer auch ein bisschen Zeit  um über das Bücherschreiben zu reden. Für die Lesung wünsche ich: Immer eine Handbreit Wasser unter dem Kiel. (20 Uhr, Bebop, Bahnhofstr. 12, Cloppenburg) Und noch mehr über Mechthild Lanfermann und ihren Bezug zur Gegend gibt es hier.

Preisträger

geschrieben am 04.12.2012

Die Tage werden immer kürzer, und auch die fehlenden Einträge im Blogbuch sind gezählt. Also Zeit um noch ein paar Schulden abzuarbeiten. Nach dem Oldenburger Filmfest hatte ich versprochen mir den mehrfachen Preisträgerfilm „Oh Boy“ von Regisseur Jan Ole Gerster anzusehen. In Berlin lief er in meinem Lieblingskino, dem Kino International. Das liegt am Alexanderplatz und ist so eine riesige Kiste mit nur einem Saal und einem glitzerndem silbernen Vorhang. Im Foyer gibt es eine Bar und große Kronleuchter. Ein wirklich tolles Kino. http://kino-international.com/ oder http://www.berlinale.de/de/programm/spielst_tten/kinos/index.html Aber wie das mit Kindern so ist, als wir endlich soweit waren, hatte der Film im International schon begonnen. Also schnell zum Hackeschen Markt. Wir haben es geschafft! Ich fand den Film mutig und gelungen. Berlin ist nun wirklich hoch- und runtergefilmt worden. Da noch einen neuen Blick zu finden ist nicht einfach, und dann auch noch in Schwarz/Weiß! Und sich immer wieder die Einstellung: Berlin – Ecke Schönhauser – zu trauen, die nicht nur an den gleichnamigen Film von Gerhard Klein erinnert,   sondern auch an viele andere Berlin Filme, dass war mehr als mutig und dann doch sehr eigenständig. Die Musik war besonders, die Schauspieler fand ich sehr gut (Auch wenn ich bei Friederike Kempter eine Weile an Nadeshda Krusenstern aus dem Münster-Tatort denken musste. Aber da hat sie sich schnell rausgespielt!) Meine Lieblingsszene war die mit RP Kahl als Fahrkartenkontrolleur, und wann immer ich ihn jetzt sehen werde, werde ich wohl: „Klar, du bist R2D2“, denken müssen! Gefallen hat mir auch, dass der Film gar nicht traurig war. Was er gewesen wäre, wäre er in den 90er Jahren gedreht worden. Aber sonst unterschied sich die Geschichte gar nicht so sehr vom Berlin vor 20 Jahren. Und auf der Suche nach einer Tasse Kaffee war schnell die Frage klar, die der Film stellte: Wer sind eigentlich die Irren, die die sich durch den Tag treiben lassen und seit zwei Jahren „nachdenken“ oder doch alle anderen? Ich freu mich auf  den nächsten Film von Jan Ole Gerster!

Nachgefragt

geschrieben am 06.12.2012

„Was weißt du von Oldenburg?“, das habe ich verschiedene Menschen gefragt. Als ich vor ein paar Tagen meiner guten Freundin und Kollegin Judith Hermann vom Oldenburg Blogbuch und auch von dieser Frage erzählte, sagte sie: „Das kannst du mich auch mal fragen!“ Schneller als ich dies überhaupt tun konnte. Das ist eigentlich nicht ihre Art. Aber im Gegensatz zu mir, der ich ja das erste Mal zur Lesung der Literatour Nord in Oldenburg war, hat Judith tatsächlich eine längere Geschichte mit dem Nordwesten Deutschlands. Ihre Großmutter kam aus Friesland und schon als Kind hat sie hier ihre Sommer verbracht. Bis heute ist das so geblieben, und ich habe sie auch ein paar Mal in Horumersiel besucht, diesem schönen Kurort hinterm Deich. Und wenn wir Glück hatten mit dem Wetter, dann war es dort wirklich verwunschen und besonders. Auch wenn ich mich als Kind der Ostsee erst daran gewöhnen musste, dass das Meer eben manchmal nicht da ist. Außerdem: Auch wenn es geregnet hat war es dort schön, nur eben oft sehr, sehr kalt. „Oldenburg“, sagte Judith zu mir. „War immer der Anfang, so etwas wie die Eingangstür in diese friesisch-kindliche Welt. Wenn der Zug in Oldenburg einfuhr, dann war ich angekommen. Außerdem leben mein Neffe und meine Nichte inzwischen in Oldenburg, und so habe ich auch schon Theateraufführungen an der dortigen Waldorfschule gesehen.“ Als junges Mädchen saß sie im Café „Godewind“ in Jever und klar: Im „Tunis“ in Marx hat sie auch getanzt. Da habe ich sie ein bisschen beneidet, um ihre tatsächlichen Erfahrungen vor Ort und gedacht, dass man online eben doch nicht alles nachholen kann.

Der neue Kohl

geschrieben am 11.12.2012

Oldenburg hat einen neuen König. Er amtiert noch nicht, aber er ist bereits gewählt, was bei Königen immer ein wenig zwielichtig erscheint, denn schließlich sind sie ja Könige und die haben mit der Demokratie bekanntlich  nicht viel am Hut. Es handelt sich natürlich um den neuen Kohlkönig. Während es beim Wein, den Äpfeln oder der Heide immer um Königinnen geht und dabei möglichst junge hübsche Mädchen gewählt werden, scheint es beim Oldenburger Kohlkönig um andere Werte zu gehen. Als Schönheiten kann man die vergangenen Könige Philip Rösler und Günhter Oettinger nicht unbedingt bezeichnen. Und auch die neue Majestät, Bundesumweltminister Peter Altmaier, würde vermutlich keine klassische Miss- bzw. Misterwahl gewinnen. Er erinnert optisch eher an den Altkanzler Kohl, aber da kommen wir jetzt mit dem Kohl durcheinander. Am 25. Februar wird Altmaier beim 56. „Defftig Ollnborger Gröönkohl-Äten“ in der niedersächsischen Landesvertretung in Berlin gekürt. Maik Nolte hat ein lesenswertes Portrait im Oldenburger Lokalteil geschrieben. Ein bisschen bin ich ja schon auf Abschied gestimmt, und deshalb möchte ich die Arbeit des Oldenburger Lokalteils noch einmal hervorheben. Bis zu meiner virtuellen Stadtschreiberstelle in Oldenburg war mir kein unabhängiger virtueller Lokalteil bekannt, und ich finde Oldenburg kann sich glücklich schätzen, so etwas zu haben. Vielleicht liegt hier die Zukunft des Journalismus. Ich habe mir die Seite oft angesehen, hier Themen gefunden und manchmal gelacht. Sicher, ich war nicht immer einer Meinung mit dem Oldenburger Lokalteil, aber so gehört sich das ja auch für eine gute Zeitung. Auch wenn sie virtuell ist. Ich wünsche also weiterhin viel Erfolg bei der Arbeit und: Immer eine Handbreit Euros unter dem Kiel!