Gegerbtes Herz [ 5 ]

Der Ausflug in den Wind war eine beknackte Idee. Kopfschmerz zieht bis zwischen die Schulterblätter. Nase verstopft. Hals kratzt. Bleibe erst mal im Bett. Es lebe die Selbstständigkeit.

Möchte alle Vögel erschießen. Auch alle Kinder und alle Räumfahrzeugfahrer. Alle Postboten und meine Nachbarn sowieso. Kann die Welt nicht einfach mal die Fresse halten? Warum hat die Natur mir Lider gegeben, aber keine Ohrklappen? Warum können wir zum Mond fliegen und für das Plärren der Welt fällt uns nur Ohropax ein?

Mittags SMS: „Ich habe viel Verständnis für das, was du fühlst. Aber das geht zu weit. Ich habe Angst vor dir. Und ich sorge mich um dich. Du bist mein Bruder. Wo sind wir gelandet?“

Antworte: „Danke. Für dein Verständnis. Ich habe auch viel Verständnis für mich. Genieß den Rest deines Lebens, ich wünsche dir Krebs.“

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Auftauen [ 6 ]

Tage stummer Arbeit. Geschmeidig bleiben. Nicht abdrehen. Alles ein bisschen viel im Moment. Was mir schon immer geholfen hat: Arbeiten. Dinge tun. Business as usual. Wenn es unruhig wird im Innern, einfach wegschaffen, was eh getan werden muss. Hebe nach und nach gefrorene Tiere aus der Kühltruhe und gehe meinem Handwerk nach.
Sitze in meiner Werkstatt, draußen das Rauschen der Straße, klappernde Schritte. Leere Müdigkeit zwischen den Ohren. Heute vor allem Basisarbeit: Abziehen und Entfleischen, Waschen und Entfetten. Nicht gerade meine Lieblingsbeschäftigung, aber gesunde Routine.

Tauwetter.
In meiner Pause ein wundersames Schauspiel. Sehe zwei Krähen rodeln. Als wollten sie den Winter verabschieden. Den Frühling begrüßen. Eigentlich zu früh, aber da es taut und die Luft mild und würzig riecht und sich die Leute mit offenen Jacken auf den Tischen und Stühlen vor den Cafés in der Sonne aalen, werden vielleicht auch die Vögel übermütig. Auf dem Rücken rollen und rutschen meine Krähenfreunde einen kleinen Schneeberg hinab. Immer und immer wieder das gleiche Spiel: kullern hinab und klettern auf den Füßen schnellstmöglich wieder hinauf, nur um sich erneut hinab zu rollen. Einfach aus Freude. Völlig unsinnig. Spielende Vögel. Euch werd ich helfen.
Ich muss lächeln. Fast hüpft mir mein Herz in der Brust. Das habe ich lange nicht gehabt. Bin gut gelaunt, als hätte ich darauf gespart.

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zu Hause bei Mariah Carey [ 8 ]

Eine Wiese aus Federn. Schwebend, darüber, ein Schwarm geflügelter Karnickel. Zwei Kröten mit Fuchsgebissen thronen auf der Fensterbank, erstarrt in einem Zustand großer Erregung. Solche Träume sind den Schlaf wert. Fahles Licht fällt durch die gefrosteten Fenster, Staubpartikel tanzen zeitlupenartig durch den Raum, eine Erdgeschosswohnung in meinem leerstehenden Wohnblock. Er hat sich festgesetzt als Bühne meiner Landschaftsträume. Faszinierend. Die offene Küche geht über in den Esszimmerbereich, auf dem offen stehenden Herd sitzt eine Katze, angriffsbereit, und lächelt mit Menschenzähnen. Notiere ich mit noch schwachen Fingern, hinter dem Vorhang meiner Müdigkeit, in das kleine Heft, das neben meiner Matratze liegt. Eines Tages werde ich diese Gemälde alle umsetzen. Werde das Haus kaufen, abtauchen und ein schauriges Monument erschaffen. Ziellos. Sinnlos. Verstörend und magisch. Kein Mensch wird es verstehen. Ich verstehe es nicht. Es gibt nichts zu verstehen, das gibt es zu verstehen. Man wird den Kopf schütteln und manche werden fasziniert sein. Ich werde mit Tierkörpern malen.

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