Das übersehene Ikea am Osthafen

geschrieben am 04.12.2011

2011_12_04_Bild1_grossHeute spazierte ich auf Google Earth am Osthafen entlang, betrachtete Trockendocks und Kanäle im Winter, überquerte ein großes Feld und bemerkte erst hinterher, dass ich anscheinend mitten über die Oldenburger Ikea-Fililale gelaufen war. Von oben ist sie nämlich ganz und gar nicht zu erkennen. Ich entschuldigte mich, prüfte kurz, ob ich irgendwelche Dellen im Dach hinterlassen hatte und suchte dann, mich wundernd, das Weite.

Schlaumeier werden jetzt behaupten, die Satellitenbilder von Google Earth seien einfach vor 2007 aufgenommen worden, aber vielleicht gibt es auch viel einleuchtender Gründe. Vielleicht denkt Google in größeren Zusammenhängen und ahnt schon, dass schon in wenigen Jahren sich überall dort Brachland breit machen wird, wo jetzt noch blaue Containerriesen stehen.  Vielleicht plant das missgünstige Google auch längst eine eigene Möbelabteilung (siehe Abbildung 2), genug über unsere Vorlieben wissen sie schließlich. Vielleicht, und das erscheint mir am wahrscheinlichsten, kann die Filiale aber auch gar nicht abgebildet werden, weil es sie in Wirklichkeit gar nicht gibt, weil es nirgendwo eine Ikea-Filiale gibt, weil es Ikea gar nicht gibt, weil wir uns das alles seit Jahren nur einbilden, um uns etwas heimeliger zu fühlen, etwas aufgehobener in den eigenen vier Wänden und in der Welt. Und nie dürfen wir daran zweifeln, nie. Sonst fallen die Bücher auf einmal von der Wand, an der sie nichts hält. Sonst wohnen wir nur noch, was auch immer Furchtbares das sein mag.

Memento Lofti

geschrieben am 06.12.2011

2011_12_06_Bild1_grossZum ersten Mal in diesem Blog schreibe ich ihn wirklich in Oldenburg. Ganz ehrlich. Ich schwöre.

Ich sitze in einem Café in der Fußgängerzone, in dem ich 2003 schon einmal saß und 2008 noch einmal, und im Juli diesen Jahres saß ich wieder hier. Es ist ein okayes Café. Ich besuche es hauptsächlich, um mich an meine früheren Besuche zu erinnern. Ich kann mich da hinten an einem Tisch sitzen sehen, acht Jahre jünger, und dort, drei Jahre jünger, an dem anderen Tisch, und da vorn sitze ich auch, und sehe noch fast genau so aus. Und nun sitze ich halt an diesem Tisch, im aktuellen Alter, und ich spüre schon meine Blicke auf mir in zwei oder fünf oder dreizehn Jahren. Ich bin schon Erinnerung. Ich bin längst jüngere Variante eines älteren Ich. „Bin ich Kino?“, raunze ich mich an, und was es da zu glotzen gebe, und ich strecke mir heimlich die Zunge raus.

Irgendwann wird auch das ältere Ich von einem noch älteren angeschaut werden. Irgendwann werden alle Tische mit mir besetzt sein, auch die Hocker an der Theke, das ganze Café wird voll von mir sein, ich trete mir auf die Füße, ich entschuldige mich bei mir, ich frage mich gegenseitig, ob ich wüsste wie viel Uhr es sei, oder welches Jahr. Und irgendwann werde ich gar nicht mehr ins Café hineinpassen. Ich lasse mir einfach keinen Platz mehr. Ich stehe draußen vor der Scheibe. Der Nieselregen hat aufgehört, um mich herum laufen lauter Oldenburger mit Einkaufstaschen und Plänen, ich winke kurz ins Café, keiner von mir bemerkt mich, und ich drehe mich um, um woanders hin zu gehen, irgendwohin, wo ich mich nicht kenne.

Die fehlenden 22,5 Prozent

geschrieben am 10.12.2011

Über das mit deiner Zufriedenheit, liebes Oldenburg, komme ich einfach nicht hinweg. Vielleicht liegt es daran, dass ich den Großteil meines Lebens in Unzufriedenheitshochburgen wie Bielefeld und Berlin gelebt habe, aber ebenso neidisch und ungläubig las ich gestern wieder einmal in deiner Zeitung, dass nirgendwo im Norden die Einwohner zufriedener seien als in dir, und das auch noch zu Recht, denn, wie die Überschrift mir verriet, bist du „die beste Stadt in Norddeutschland“.

Du bist nämlich gerade eben wieder einmal tüchtig gelobt worden, in einer groß angelegten Studie. Und ob sich ein Lob richtig gut anfühlt, wenn er unter anderem von eher zwielichtigen Bündnissen wie der „Initiative Neue Soziale Marktwirtschaft“ stammt, kann ich nicht beurteilen, denn mich loben die überraschenderweise nie.

Weniger überraschend ist es da aber, dass sich das Lob vor allem auf deine wirtschaftliche Dynamik bezog, und da sprechen wirklich harte Fakten für sich und für dich. „Doch was nützt die größte Dynamik, wenn die Zufriedenheit nicht stimmt?“ mahnt es dann auch gleich im Zeitungsartikel, um sofort Entwarnung zu geben: „Aber auch hier liegt Oldenburg an der Spitze. Beste Stadt im Norden, bundesweit Platz neun, sagt die Studie. 77,5 Prozent der Bürger bezeichnen sich als zufrieden.“

Da kann doch etwas nicht stimmen. Und vor allem, womit genau sind die Bürger denn zufrieden? Ruft da jemand an und fragt: „Sind Sie eigentlich zufrieden, Frau Sowieso?“, und Frau Sowieso sagt dann „Och ja, ich kann nicht klagen“, und dann wird ein Strich auf irgendeiner Liste gemacht?

Auf der Homepage der Wirtschaftswoche (dem anderen Auftragsgeber der Studie) bekomme ich eine erste Aufklärung, dort ist nur noch davon die Rede, dass „77,5 Prozent der Bürger mit der Infrastruktur in Oldenburg zufrieden [sind]“.

So, so die Infrastruktur. Was auch immer genau das sein mag. Also lese ich weiter, wühle mich tatsächlich durch die mümmelnde Prosa des Endberichts der Studie und finde endlich auf den Seiten 21 und 42 meine Antwort: Befragt nach ihrer Zufriedenheit wurden im Rahmen der Studie gar nicht die Bürger, sondern „rund 4.000 Unternehmen in den 50 größten deutschen Städten“.

Das beruhigt mich enorm. Und nicht nur, weil ich es verstörend gefunden hätte, wenn die „Initiative Neue Soziale Marktwirtschaft“ an irgendeiner anderen Zufriedenheit interessiert gewesen wäre als die der Unternehmen, sondern auch, weil so das Gerücht von den 77,5 Prozent zufriedenen Bürgern in Oldenburg tatsächlich nicht stimmt. Wenn man die Bürger befragt hätte, läge die Zufriedenheit natürlich bei 100 Prozent.

Das hätte der Wirtschaftswoche und der Nordwestzeitung doch auch auffallen müssen.

Die schüchternen Häuser in Tweelbäke

geschrieben am 14.12.2011

2011_12_14_Bild1_grossDie Häuser in Tweelbäke schauen mich mit großen Augen an. Gerade die jüngeren von ihnen haben mitunter noch nie einen Touristen gesehen hier. Sie verstecken sich halb hinter Büschen, können ihrer Neugier aber dennoch nicht ganz widerstehen. Dass sie keine Angst zu haben brauchen, flüstere ich ihnen zu, aber die Häuser in Tweelbäke verstehen mich nicht, ihre Wände haben keine Ohren, und so stehen wir uns nur wortlos und fremd gegenüber, und wenn sie wüssten, was Träume sind, würden sie sich vielleicht fragen, ob ich gerade einer sei.

Vorfreude in Wechloy

geschrieben am 18.12.2011

2011_12_18_Bild1_grossWeihnachten ist das Fest der Familia. Das darf man in all dem Trubel niemals vergessen, und deshalb spaziere ich in der Adventszeit jeden Abend zum Familia Einkaufsland Wechloy und fühle mich festlich. Die schummrige Neonbeleuchtung, der still und klar ruhende Parkplatz, die winterliche Luft – da kann die Besinnlichkeit gar nicht anders, als sich sanft und flauschig über mich zu legen.

Vorsichtig schaue ich noch einmal nach all den schlafenden Geschäften, nach H&M und Mister Minit, nach Cecil und Street One und natürlich auch nach der kleinen Bon Bon Confektionary. Ich höre ihr gleichmäßiges Atmen, das leise Rascheln, hin und wieder ein Seufzen, ein verträumtes Wort. Die Vorfreude spiegelt sich selbst jetzt noch in ihren Gesichtern. Ach, der Advent in Wechloy. Ach, die geheiligte Zeit.