Die frisch verlassene Ausfallstraße in Eversten

geschrieben am 30.10.2011

2011_10_30_Bild1_grossDie Ampel ist grün, zum neunundsiebzigsten Mal seitdem ich hier stehe. Zwischendrin war sie immer mal wieder gelb und rot, das habe ich beobachtet, während um mich herum langsam die Dämmerung anbrach. Manche Dinge funktionieren noch.

Ich stehe auf der Linksabbiegerspur. Ich will nicht nach links. Ich will auch nicht nach rechts, nicht geradeaus und nicht zurück. Ich will hier stehen bleiben, auf dieser verlassenen Ausfallstraße in Eversten. Ich kann sie jetzt nicht allein lassen, ich bin doch der einzige, den sie noch hat. Wir bringen uns gemeinsam durch die Nacht, durch die gefährlichen Stunden, in denen die Gedanken leichtes Spiel haben. Am Morgen verabschieden wir uns leise und fast verlegen.

Ausgegraben

geschrieben am 03.11.2011

2011_11_03_Bild1_kleinNur noch drei Tage lang ist die Ausstellung „Ausgegraben“ im Stadtmuseum Oldenburg zu sehen. Sie zeigt eine Vielzahl, von Artefakten, die bei der Grabung der Schlosshöfe entdeckt worden sind. Neben allerlei erwartbarem Krimskrams wie Tellern, Werkzeugen, Puppenköpfen und Zugbrückenfundamenten, finden sich auch mindestens fünf archäologische Sensationen:

1. Das goldene Hufeisen, das Graf Anton Günthers Pferd Kranich für „1000 unfallfreie Kilometer“ erhielt. Eine zu dieser Zeit äußerst seltene Auszeichnung.

2. Die Grundmauern der legendären Grünkohl-Akademie aus dem frühen 19. Jahrhundert, an der zu Hochzeiten Johann Friedrich Herbart, Wilhelm von Humboldt und  Karl-Theodor zu Guttenberg  lehrten, forschten und speisten.

3. Dieter Bohlens erste Single aus dem Jahr 1964: „(Sie haben mich wieder) In den Klassenschrank gesperrt“

4. Der fehlende Punkt, der dem VfB Oldenburg in der Saison 1991/92 den Aufstieg in die 1. Fußball-Bundesliga beschert hätte.

5. Ulrich Eigenfelds erotische Gedichtbände: „Du, Deutschland, lass uns heute Nacht ganz zärtlich sein“ (1965), „Deutschland, du machst mir feuchte Träume“ (1967) und „Meine Hände auf deinen Alpen, mein Glied im Bodensee“ (2001).

Das berechtigte Seufzen in Kreyenbrück

geschrieben am 04.11.2011

2011_11_04_Bild1_grossIn Kreyenbrück braucht man nicht viele Worte. „Moin“, sagt mal jemand, wenn er in Pluderlaune ist. Sonst wird nur ab und an geseufzt. In Kreyenbrück ist man nämlich etwas traurig, weil alles, was ist, dadurch auch so vieles nicht sein kann. „Kein Fahrrad“ steht auf den Autos, „Kein Fisch“ steht auf dem Fleisch, „Kein Ball“ steht auf den Handtaschen. Auf den Holzpfählen steht „Kein Hundeklo“, auf den Hundeklos „Kein schöner Land“, auf den Parkbänken „Keine Panik“. „Keine private Zusatzversicherung“ steht auf den Klingelschildern, „Kein Sommer“ steht auf dem Herbst, auf dem Leben steht „Kein Ponyhof“.

So sind die Dinge in Kreyenbrück und anderswo: Immer nur das, was sie sind. Wer sollte da nicht seufzen.

Krankschreibung

geschrieben am 10.11.2011

2011_11_10_Bild1_grossLiebes Oldenburg,

für dich habe ich mich zum ersten Mal in meinem Leben krank schreiben lassen. Ich will dich schließlich nicht anstecken. Wie man der Krankschreibung entnehmen kann, leide ich unter einer akuten J 20.9 oder J 20.y oder so etwas Ähnlichem. Ich hoffe, das ist nichts Ernstes, zu mir hatte der Arzt lediglich Bronchitis gesagt, aber vielleicht sagt er das immer.
Bis ganz bald nach dem 11.11.
Hustend,
dein
Virtueller und Viraler Stadtschreiber

Die fehlende Erinnerung an das Fotografieren eines frierenden Sonnenschirms in Krusenbusch

geschrieben am 13.11.2011

2011_11_13_Bild1_grossWie gerne hätte ich am 20. Oktober 2006 dieses Foto gemacht, um mich heute, über fünf Jahre später, daran zu erinnern, wie ich es gemacht habe damals, um mich daran zu erinnern, wie ich mir damals vorgestellt habe, dass ich mich einmal an diesen Tag erinnern werde, in fünf Jahren vielleicht, an diesen gar nicht besonderen Tag, an dem ich den eingeklappten Sonnenschirm im Garten fotografierte, weil er so aussah, als sei ihm etwas kalt. Mir fehlt diese Erinnerung. Und manchmal fehlt sie mir sogar sehr.