Ein starker Geist [ 37 ]

Und dann kam die Vorliebe für das Turnen. Nicht nur in Oldenburg. In allen deutschen Städten und Ländern. Oft war da die Rede von Gesundheit, frischer Luft und Hygiene. Alle haben das geglaubt und tüchtig gestrampelt. Keiner wollte schlaff, abgehängt oder schwach wirken. Oh, nein – stark, muskulös, ausdauernd, das waren die Ideale der Stunde. Leibesübung! Geistesübung!

Allein in Oldenburg hat man den wahren Grund begriffen: das Turnen war vor allem Militärübung. Das hat den friedliebenden Bürgern und ihren Kindern nicht gepasst. Praktisch über Nacht wurde ein anderes Konzept ersonnen.

Die Turnschüler sitzen seitdem im Kreis um ihren Lehrer herum; die Matten sind bequem, die Temperatur angenehm, häufig werden im Hintergrund wohlriechende Kräuter und Hölzer verbrannt. Nach Platznahme fordert der Turnlehrer seine Schüler dazu auf, ihre Augen zu schließen und ihre Muskeln zu entspannen. Im Geiste werden alsbald Reck, Barren und Schwebebalken absolviert. Nur eine wache und eigenständige Vorstellungskraft mache wirklich stark und unabhängig, so der Turnlehrer. Und wer den Schwebebalken ausspare, der schummele.

Ein Gedanke zu „Ein starker Geist [ 37 ]

  1. Geschichtlicher Bezug: Geturnt wurde auch in Oldenburg, Vgl. in “Eine Ecke Deutschlands. Reisesilhouetten, Oldenburger Bilder, Charaktere und Zustände”, von Joseph Mendelssohn, 1979, Schuster, Leer.

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