Oldenburger Zwischling [ 38 ]

Es war im Frühling, vor nicht allzu langer Zeit, da kam es in Oldenburg zu einem Aufsehen erregenden Prozess. Kein Geheimnis, dass die Wege zwischen Jever und Oldenburg zu den schlechtesten auf diesem Erdball gehören; entsetzliche, bodenlose Sandpisten! Es ist ein Elend auf den Oldenburgischen Landwegen – die ganze Gegend eine Ebene, nahe am Meer, nahe am Moor, und kaum regnet es oder schmilzt der Schnee, so versinkt jeder gangbare Pfad in einen einzigen Morast.

Als einem Vater beide Söhne von den gefräßigen, Oldenburger Landstraßen verschlungen worden waren, beschloss dieser, nicht mehr nur in gleichmütiger Passivität zu verharren, sondern zu handeln, wie es einem Oldenburger Bürger geziemt. Es gab schließlich ein Gericht, einen Richter, es gab Gerechtigkeit, in diesem Land! Und der Schuldige war doch längst gefunden: Der arme Vater verklagte den Frühling höchstpersönlich. Auf doppelten Totschlag.

Der Richter glaubte nicht richtig zu lesen, als ihm die Klage eingereicht wurde. Allerdings besaß er selber einen Sohn und konnte den Schmerz des Vaters nachvollziehen. Einige Konferenzen mit dem Großherzog später kam es zu einem vernichtenden Urteil gegen den Frühling. Er wurde schuldig gesprochen und seitdem aus allen Oldenburger Kalendern verbannt. Wer heute einen original Oldenburger Kalender aufschlägt, findet zwischen Winter und Sommer eine ganz spezielle Jahreszeit, nämlich den „Oldenburger Zwischling“.

Ein Gedanke zu „Oldenburger Zwischling [ 38 ]

  1. Geschichtlicher Bezug: Vgl. Beschreibung der gefährlichen Landstraßen in „Eine Ecke Deutschlands. Reisesilhouetten, Oldenburger Bilder, Charaktere und Zustände“, von Joseph Mendelssohn, 1979, Schuster, Leer.

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