Intervall

Poetologische Überlegungen, die weniger mit Oldenburg zu tun haben, dafür aber umso mehr mit Fragen des Schriftstellertums und Erzählens im Allgemeinen

Abends liege ich lange wach, lausche Siggi und Bruno, die im Wohnzimmer UNO spielen, und denke nach. Ich weiß nicht weiter. Ich will hier eine Geschichte über und aus Oldenburg erzählen, eine Geschichte, welche es mit der Dramatik des dichtenden Waisenmädchens aufnehmen kann. Ich will von Nixen und Hexen erzählen und von den Geistern, die sich aus den totenkopfbesetzten Gräbern erheben. Aber vielleicht bin ich schlicht zu spät dran für diese Art Geschichten, vielleicht widerfahren uns die großen, unheimlichen Abenteuer nun einmal nicht mehr, weder in Oldenburg noch sonstwo. Vielleicht lässt sich nur noch erzählen, dass wir kürzlich traurig durch die Straßen Kreuzbergs oder Friedrichhains gingen, grüblerisch an unserem Superfood knabberten, bedauerten, dass wir den Glauben an die Liebe, die Zukunft, den Sinn des Lebens verloren hatten, und die Clubs, in denen wir einmal Getrudenlinden-ähnliche Abenteuer erlebt hatten, nun geschlossen worden waren, um Platz für neue Bioläden zu machen, in denen wir von nun an unser Superfood kaufen würden, um abends grüblerisch daran zu knabbern. Schluss mit Geistern, Nixen, Hexen, Untoten; Schluss mit sprechenden Katzen, Schluss mit Schlössern und Verließen, Schluss mit Wesen, halb Mensch, halb Pilz, die im Sumpf leben und nur bei Nacht hervorkommen, um durch die Straßen der verschlafenen Städte zu schleichen; Schluss mit Morden, Diebstählen, Hinrichtungen. Bloß noch Superfood, Gentrifizierung und das Nachdenken über Hipster und glutenfreies Abendessen, steigende Mieten und hyperaktive Kinder.
Aber über nichts davon würde ich schreiben wollen, weder als Stadtschreiberin noch in sonst einer Funktion.
Bleibt mir also nur zu tun, was ich immer getan habe in Momenten wie diesen: Still in meinem Bett zu liegen, in die Dunkelheit zu lauschen, auf den Schlaf zu warten und auf die Träume und das erste Rascheln, das unerklärliche Knarren der Schranktüren und die sonderbaren Bewegungen in den Schatten neben dem knarrenden Schrank.