13. Dream Big!

Der Student wartet vor dem Wohnheim auf uns. Er führt uns in sein Zimmer, das ganz genauso aussieht, wie man sich so eine Studentenbehausung immer vorstellt. Auf dem Schreibtisch liegt ein Zentangle Ausmal-Buch zum Relaxen, und auf der Fensterbank stehen zwei Orchideen und ein Raumduft-Diffuser. Über seinem Bett hat der Student ein motivierendes Poster aufgehängt, auf dem steht: Dream Big. Darauf zu sehen ist ein Vogel, der majestätisch durch einen blauen Himmel gleitet, und – wahrscheinlich – große Träume hat. Einen Moment betrachten wir drei, der Student, mein Bekannter und ich, ganz versonnen den blauen Himmel und verlieren uns in unseren eigenen großen Träumen.

„Seerose“, sagt der Student stolz, als ich ihn nach dem angegnehmen Duft frage.
„Toll“, sage ich. Und: „Dann legen Sie mal los. Sie wissen ja anscheinend irgendwas.“
Der Student will uns aber lieber erst einmal einen Rooibos-Vanille-Tee machen.
„Aber ich bleibe in dem Ganzen anonym?“, versichert er sich, während er heißes Wasser aufgießt. „Ich meine, Sie werden mich nicht mit Namen erwähnen?“
Ich verspreche dem Studenten, dass er anonym bleiben wird, und er wirkt erleichtert.
„Also“, sagt er. „Es geht um die Haarenniederungen, das Biotop hinter der Uni.“
Dann fällt der Student in einen angestrengten und anstrengenden Flüsterton. Er erzählt mir, dass ein paar der Studenten etwas im Biotop bemerkt hätten. Während sie da so gemütlich im Gras gesessen und an ihrem Biozisch Rhabarber genippt hätten, sei ihnen so eine Art Heulen aufgefallen, so eine Art Wimmern, vielleicht auch ein Schreien in großer Ferne. Sein Ursprung jedenfalls habe irgendwo im undurchsichtigen Grün gelegen. Keiner von ihnen habe sich getraut, den Lauten auf die Spur zu gehen. Man habe zwar wachsam in die Sträuche und Büsche und Bäume geblinzelt, sich aber nicht wirklich näher herangewagt. Besonders während der Dämmerung und in den frühen Abendstunden sei das Schreien zu hören gewesen.
„Und gibt es dort zufällig auch ein Spuknest?“, frage ich.
Der Student sieht mich verständnislos an.
„Ich meine, einen Tümpel, oder einen Bach, etwas in der Art?“
Der Student bejaht. Tatsächlich gäbe es dort einen kleinen Bach, einen Seitenarm der Haaren.
„Dann müssen wir dorthin!“, sage ich zu meinem Bekannten.
Mein Bekannter nippt bedächtig an seinem Rooibos-Vanille Tee. „Es klingt ein wenig gefährlich“, gibt er zu bedenken.
„Genau deswegen“, sage ich.
Und so ward es entschieden.