12. Der Informant

Mein Bekannter behauptet am Telefon, dass ihn ein Informant kontaktiert habe. Der habe erfahren – durch seine aufmerksame Lektüre des Blogbuchs Oldenburg, um genau zu sein – dass eine Autorin in der Stadt sei, eine Autorin, auf der (vergeblichen) Suche nach dem Unheimlichen. Bei seiner Lektüre habe er den Eindruck gewonnen, die Autorin stelle sich auf ihrer Suche nach dem Unheimlichen etwas ungeschickt an, dass ihre Versuche, den dunklen Geheimnissen Oldenburgs auf den Grund zu gehen, aus reiner Nachlässigkeit, um nicht zu sagen Unfähigkeit, gescheitert seien. Die Stadt sei ja randvoll mit allerlei Unheimlichkeiten. Man müsse nur, habe der Informant meinem Bekannten anvertraut, nachts einmal entlang der Haaren laufen, und schon stolpere man über sprechende Fische, betrunkene Flussgeister und allerlei andere zweifelhafte Geschöpfe. Er selbst sei dort einmal einer schwebenden Nonne über den Weg gelaufen, die man übrigens nahe des Heiligengeistwalls im Übrigen ganz regelmäßig anzutreffen pflege.

„Wann können wir den treffen?“, frage ich meinen Bekannten.

Noch am selben Nachmittag machen wir uns auf den Weg zu dem Informanten.
Schon auf dem Weg dorthin erfahre ich, dass es sich bei dem Informanten um einen Studenten handelt.
Das gefällt mir nicht. Ich hatte mir zumindest einen Professor vorgestellt, einen greisen Gelehrten, der uns, gekleidet in einen rautenlastigen Pullunder und mit Pfeife im Mundwinkel, empfangen würde, nur um uns in sein staubiges Arbeitszimmer voller kostbarer, doch fleckiger Bücher zu führen und uns dort, umhüllt von Pfeifenrauch, seine Geheimnisse anzuvertrauen.
Stattdessen fahren wir bloß in ein Studentenwohnheim, direkt neben dem BAföG-Amt.
Studenten gegenüber habe ich Gefühle der Missgunst und des Neides, seitdem ich selbst keiner mehr bin, und so trotte ich schlecht gelaunt hinter meinem Bekannten die Straße hinunter.
„Das führt überhaupt nirgendwohin“, prophezeie ich. „Am Ende wird er uns nur zwingen, Bier mit ihm zu trinken und Foucault zu diskutieren.“
„Wart’s doch erst mal ab“, empfiehlt mein Bekannter. Aber wenn ich eines noch nie gut konnte, dann ist das abwarten.