geschrieben am 12.07.2011
Also gut. Ich war gar nicht in Oldenburg. Das konnte ich mir als virtueller Stadtschreiber schließlich nicht erlauben. Ich habe einen Doppelgänger geschickt, auch den findet man schließlich schnell im Internet. Mein Doppelgänger ist Daniel Radcliffe: der junge Mann, der in den Filmen Harry Potter spielt. Bislang wusste ich noch gar nichts von einer Ähnlichkeit zwischen ihm und mir, aber laut findmydoppelganger.com haben unsere Gesichter 74% Übereinstimmung, und das klingt so mathematisch ausgefuchst, dass sich meine Augen wohl täuschen müssen. Nur die besten Gesichtserkenner arbeiten schließlich in den Laboren von findmydoppelganger.com, hochspezialisierte Expertenteams sind das, die sich nicht von Offensichtlichkeiten blenden lassen. Und wenn ich eines gelernt habe als virtueller Stadtschreiber, dann dass man dem Internet stets mehr trauen kann als dem wahren Leben.
Auf Platz 2 der Doppelgängerliste landete übrigens Natalie Portmann, der ich zu gleichermaßen schmeichelhaften wie verstörenden 73% ähnlich sehe.
Daniel Radcliffe musste zwar eigentlich zu den New-York-Premieren seines neuen Films nach London und New York, aber das konnte ich ja für ihn übernehmen, als sein vierundsiebzigprozentiger Zwilling, das fiel niemandem auf. Ihm habe es gut gefallen in Oldenburg, schrieb er mir nach dem Wochenende. Er komme gerne bald mal wieder, vielleicht sogar schon zu den Keramiktagen. Was genau er in Oldenburg gemacht hat, weiß ich aber nicht. Es gibt nur Hinweise in seiner Spesenabrechnung, die mich heute erreichte: Restaurantquittungen aus der „Artischocke“, Museumstickets für eine Moorleichenausstellung, fürs Horst-Janssen-Museum, Belege für ein Tour-T-Shirt der Band Erdmöbel, für Sonnenmilch und einen Regenschirm, für eine Tretbootfahrt, für unleserliche Getränke in der „Umbaubar“ und leider auch für einen Lamborghini, den er laut Kleingedrucktem im Vertrag immer vor seinem Hotel stehen haben muss.
Um Kosten zu sparen, überlege ich nun, für meinen nächsten Besuch nicht einen Doppelgänger für mich, sondern einen für Oldenburg zu finden. findmydoppelganger.com ist dabei allerdings kaum eine Hilfe. Wenn ich das Oldenburger Stadtwappen als Ausgangsbild eingebe, behauptet die Seite, sie könne kein Gesicht erkennen. Dasselbe behauptet sie bei Bildern vom Schloss, von der Lambertikirche, vom Weihnachtsmarkt, sogar vom Profil eines prächtigen Oldenburger Hengstes. Für die Ignoranten von findmydoppelganger.com ist Oldenburg eine Stadt ohne Gesicht. Daniel Radcliffe würde da entschieden protestieren.