geschrieben am 07.07.2011
Morgen fahre ich in die Übermorgenstadt. Das bringt mich nicht nur chronologisch in Bedrängnis, sondern auch mein ganzes ohnehin schon wackeliges Konzept gehörig ins Schwanken.
Ich sollte doch virtueller Stadtschreiber sein, ich wollte die Stadt doch nur über das Internet vermittelt beschreiben, und morgen werde ich da mitten drin stehen, wie bei Google Street View, gegen das sich Oldenburg doch so vehement gewehrt hat. Morgen werden unvermittelte Eindrücke an mir kleben bleiben, ob ich das nun will oder nicht, und ich muss mir langsam Gedanken machen, wie ich damit umgehen soll, wie ich die Eindrücke vielleicht doch noch vermeiden kann.
Strategie 1: Ich verlasse das Hotelzimmer nicht. Ich lasse mir die Mahlzeiten vor die Tür stellen. Im Internet schaue ich mir an, was ich ein paar Schritte weiter alles besichtigen könnte. Ich lasse die Wlan-Verbindung drosseln, um mich daran zu erfreuen, dass es zu Fuß schneller gehen würde als online. Augenbinde für die Taxifahrt nicht vergessen.
Strategie 2: Ich tue so, als sei ich gar nicht in Oldenburg, sondern, sagen wir, in Cuxhaven. Ich laufe mit einem falschen Stadtplan durch die Straßen, ich ordne alle Sehenswürdigkeiten falsch zu, ich wundere mich nicht.
Strategie 3: Ich erinnere mich daran, mich in der Übermorgenstadt zu befinden, sodass all meine Eindrücke eigentlich nur Ausblicke auf etwas sind, was ich in der Zukunft erleben werde, kleine Gucklöcher im Raum-Zeit-Kontinuum. Ich hinterlasse eine verwirrende Nachricht an mein zukünftiges Selbst, zum Beispiel: „Vergiss nicht, dein Aufladekabel eingepackt zu haben.“
Strategie 4: Ich betrinke mich maßlos in der Hoffnung, mich an nichts von diesen zwei Tagen erinnern zu können. Sicherheitshalber schlage ich mir auch noch mit einem stumpfen Gegenstand auf den Kopf.
Strategie 5: Ich bewege mich ganz normal in Oldenburg. Nur ab und an murmele ich: „Mensch, diese Realität. Was da heutzutage alles möglich ist.“