mit den wilden Kühen [ 18 ]

Klingeln. Schrecke hoch. Öffne in Unterhose die Tür. Mund schmeckt nach Eisen und Fäule. Der Postbote hält mir sein elektronisches Irgendwas unter die Nase, reagiert nicht im geringsten auf meinen Zustand. Wie oft sieht der Postbote verpennte Asis in zerlumpter Unterwäsche? Wahrscheinlich so oft wie ein Förster Bäume.

Hinter meinen Augen kleben noch die Bilder eines kirschroten Traums. Blicke über eine Gruppe rasierter Paviane hinweg aus dem Fenster. Gleißendes Licht, Affenschatten kleben auf meiner Brust. Sie spielten ein kompliziert wirkendes Murmelspiel, als man (ich) sie einfror. Am oberen Fensterrand sammeln sich unzählige buntlackierte Kakerlaken, die tonlos kichern, während auf der Fensterbank ein Ochsenfrosch kopuliert und der einen Katze Kopf im weit gespreizten Anus ihrer Kollegin verschwindet. Das Bild zerläuft wie Sirup, dahinter verschwindet der gelbschwarze Mann im Treppenhaus. Krachen meiner Wohnungstür. Werfe das Paket auf den Küchentisch. Noch mehr Müll aus Oldenburg.

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Bonuslevel [ 19 ]

Lohmann ruft an. Treffen uns beim Asiaten. Er macht immer so eine Geheime-Übergabe-Nummer daraus. Schiebt mir irgendwann die raschelnde Papiertüte über den Tisch. Muss kurz und halblaut lachen. Lohmann sieht sich um, schockiert. Das könne ihn seinen Job kosten. Jaja, sage ich, ‚tschuldigung, zu viel Sake. Bestelle Whiskey. Ich mache die Tüte auf und gucke rein. Lohmann räuspert sich und macht dicke Augen. Als ob jetzt ein Sondereinsatzkommando reinstürmen würde, um mir meine bunte Tüte aus den Händen zu reißen und Lohmann an die Wand zu stellen. “Alter, danke für die Lakritzschnecken”, sage ich. Lohmann grinst wie ein dummer Spast. “Ich muss mal kacken”, sage ich und verschwinde mit dem Eierbecher voll Sake im Klo. Drücke mir zwei winzige weiße und eine blaue Pille in die Hand, spüle sie mit Sake runter, gucke auf die Uhr. 21:44. Zehn nach zehn, schätze ich, gehts los. Als ich zurück komme, steht Lohmann schon in Jacke vor dem Tisch und tippelt von einem Fuß auf den anderen. “Setz dich, der Whiskey”, schnarre ich. Lohmann setzt sich, “Du hast nicht…”, sagt er. “Was ist was?”, frage ich.

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als die Zeit stehen blieb [ 20 ]

Alles wird immer schräger. Träume ich? Bin ich wach? Haben Lohmanns Substanzen irgendwelche Verschaltungen in meinem Hirn zerlegt? Was passiert hier?

Wer war meine Mutter?

Hatte sie eine andere Familie?

Wer ist dieser verdammte Absender?

uhr (Andere)

Sie sieht sich um [ 21 ]

Es wird langsam warm.
Wir schreiten durch den parkähnlichen Garten. Schweigen. Ihre zierlichen Finger in den Taschen ihres weiten grauen Wollpullovers. Schritte auf knirschendem Kies. Mein Herz schlägt bis zum Hals, warum?
“Fünfundzwanzigtausend”, würge ich irgendwann hervor. “Keine Festanstellung.”
Ihr Blick springt mir ins Gesicht, ihr Lächeln streift mich kurz. Sie nickt.
“Es liegt bei Ihnen”, sagt sie und zuckt ihre winzigen Schultern. “Sehen Sie”, sie nickt in Richtung eines Schuppens. Dann bleibt sie unvermittelt stehen und dreht sich zu mir. Ihre Hände fassen meine. Kleine, weiche, warme Hände. Ihr Gesicht kommt meinem nah, nicht zu nah, eben so, dass es zu ihrer gesenkten Stimme passt: “Es liegt bei Ihnen. Ich brauche Sie. Ich habe Pläne, aber dafür brauche ich Sie.”

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Freies Europa [ 22 ]

Als ich zweiundzwanzig war, habe ich innerhalb von ein paar Monaten so viel Geld verdient, dass ich mein Geschäft eröffnen konnte. Die Räume anmieten, meine Werkstatt einrichten. Ich hatte einen Führerschein und Europa war offen, die Grenzen wurden nur stichprobenartig kontrolliert. Ich machte ein paar Kurierfahrten, insgesamt vielleicht acht oder neun. Kutschierte in unauffälligen Autos auffällige Mengen illegaler Substanzen von Rotterdam nach Wien, von Frankfurt nach Paris, von Düsseldorf nach Madrid und so weiter. Schöne, lange, einsame Fahrten. Bin nicht erwischt worden und habe über zwanzig tausend Euro verdient. Es lebe Europa.
Seitdem unabhängig und frei. Ich kann machen, was und wann ich will. Die Werkstatt lief nicht sofort, natürlich nicht, aber es ging auch nie ums Überleben. Hatte schnell kleine Aufträge an Land gezogen, einen kleinen Shop betrieben, Kuriositäten-Kabinett. Lief nicht blendend, aber immer so, dass ich mich über Wasser halten konnte. Und ich hatte einen Plan, wusste, wohin ich wollte. Ich musste nur irgendwo den Fuß in die Tür bekommen. Eine Hand voll größerer Aufträge, ein paar Kunden mit Strahlkraft, Leute, die, hätten sie erstmal ein paar Tierskulpturen in den Eingangsbereichen ihrer Anwesen, Inspiration wären für andere. Adel, Wirtschaft, Promis. Josef Ackermann, Boris Becker, Mariah Carey. Pudel und Grizzleys. Warum sollte ich jetzt, wo alles läuft, diese Freiheit aufgeben? Das einzige, das hält, ausgerechnet?

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