Wundes Ich [ 15 ]

Wenn ich nicht ich selbst wäre und mich kennen lernen würde, irgendwo, im Sportverein oder am Tresen, ich würde mich nicht mögen. Ich würde mich niemals mit mir treffen wollen. Ich würde mir aus dem Weg gehen, Blicke vermeiden. Ich mag den Typen nicht, der ich bin. Brauche ich deshalb eine Therapie? Wahrscheinlich, oder?

Das Problem ist, dass ich keinen Bock habe, so viel Zeit aufzubringen für diesen unsympathischen Typen, der ich bin. Therapie, das ist wahrscheinlich entweder einfach nur nervig (wenn man es nicht ernst nimmt und absitzt, wie Fahrschultheoriestunden), oder es macht tierisch Arbeit (wenn man sich drauf einlässt), man muss denken, fragen, heulen, leiden und viel Zeit investieren. Zeit, die man nur mit sich selbst verbringt, mit diesem bekackten Typen. Das würde ich nicht aushalten.

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Luftschlangen [ 16 ]

Heute in der Post: eine angebrochene Packung Luftschlangen und diese „Lebensweisheit“ (?), die an Mickrigkeit nicht zu überbieten ist.

 

Briefzentrum 26, sagt der Poststempel. Das ist Oldenburg, sagt das Internet. Oldenburg? Kenne keinen Menschen in Oldenburg. Nie dagewesen. Was gibt’s da? Bauern und Grünkohl, Nieselregen und Friesennerz.

 

Rottweilers Frauchen hat vier Nachrichten auf der Mailbox hinterlassen. Wird Zeit, sich mal zu melden…

Reichlich gedeckt [ 17 ]

Ich warte auf die Dämmerung und mache mich dann auf den Weg zu Aufsichtsrats Frauchen. Unangekündigter Besuch. Ich weiß nicht, warum ich darauf aus bin, Spiele zu spielen. Mein Gefühl sagt mir: Sie hat damit angefangen. Lass sie nicht die Zügel halten.

Stehe in der Auffahrt, scharre im fein geharkten Kies, rauche gierig. Knispele mit dem Daumen am Namensschildchen neben der Klingel: “Resiak”, drücke die Glutspitze hinein. Brandfleck. Spucke auf den Boden. Klingele.

Sie steht in der offenen Tür, keineswegs überrascht, ganz im Gegenteil, glühend vor Herzlichkeit, energiegeladen und anziehend. Aus der offenen Tür strömt eine wohlriechende Wärme, dahinter liegt die sanfte Helligkeit einer wohligen Höhle. Sie ignoriert die Hand, die ich ihr hinhalte, gibt mir ein Küsschen auf die Wange. Limette, Zaubernuss und Bergamotte.

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mit den wilden Kühen [ 18 ]

Klingeln. Schrecke hoch. Öffne in Unterhose die Tür. Mund schmeckt nach Eisen und Fäule. Der Postbote hält mir sein elektronisches Irgendwas unter die Nase, reagiert nicht im geringsten auf meinen Zustand. Wie oft sieht der Postbote verpennte Asis in zerlumpter Unterwäsche? Wahrscheinlich so oft wie ein Förster Bäume.

Hinter meinen Augen kleben noch die Bilder eines kirschroten Traums. Blicke über eine Gruppe rasierter Paviane hinweg aus dem Fenster. Gleißendes Licht, Affenschatten kleben auf meiner Brust. Sie spielten ein kompliziert wirkendes Murmelspiel, als man (ich) sie einfror. Am oberen Fensterrand sammeln sich unzählige buntlackierte Kakerlaken, die tonlos kichern, während auf der Fensterbank ein Ochsenfrosch kopuliert und der einen Katze Kopf im weit gespreizten Anus ihrer Kollegin verschwindet. Das Bild zerläuft wie Sirup, dahinter verschwindet der gelbschwarze Mann im Treppenhaus. Krachen meiner Wohnungstür. Werfe das Paket auf den Küchentisch. Noch mehr Müll aus Oldenburg.

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Bonuslevel [ 19 ]

Lohmann ruft an. Treffen uns beim Asiaten. Er macht immer so eine Geheime-Übergabe-Nummer daraus. Schiebt mir irgendwann die raschelnde Papiertüte über den Tisch. Muss kurz und halblaut lachen. Lohmann sieht sich um, schockiert. Das könne ihn seinen Job kosten. Jaja, sage ich, ‚tschuldigung, zu viel Sake. Bestelle Whiskey. Ich mache die Tüte auf und gucke rein. Lohmann räuspert sich und macht dicke Augen. Als ob jetzt ein Sondereinsatzkommando reinstürmen würde, um mir meine bunte Tüte aus den Händen zu reißen und Lohmann an die Wand zu stellen. “Alter, danke für die Lakritzschnecken”, sage ich. Lohmann grinst wie ein dummer Spast. “Ich muss mal kacken”, sage ich und verschwinde mit dem Eierbecher voll Sake im Klo. Drücke mir zwei winzige weiße und eine blaue Pille in die Hand, spüle sie mit Sake runter, gucke auf die Uhr. 21:44. Zehn nach zehn, schätze ich, gehts los. Als ich zurück komme, steht Lohmann schon in Jacke vor dem Tisch und tippelt von einem Fuß auf den anderen. “Setz dich, der Whiskey”, schnarre ich. Lohmann setzt sich, “Du hast nicht…”, sagt er. “Was ist was?”, frage ich.

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