Nebliger Morgen. Streife durch die wild wuchernden Büsche und Sträucher, die seit Jahren keiner mehr stutzt und schneidet. Harte, kleine Äste, die nach mir peitschen, Dornen. Nasses, kniehohes Gras, feuchte Waden. Ziehe meine Schuhe aus, werfe sie Richtung Wohnblock. Längst nicht weit genug. Krähen. Dann der kalte Beton unter den Füßen, hart und rau. Drücke die Haustür auf. Das Treppenhaus müsste man freilegen, alles rauskloppen, bis auf die Stahlträger, entfleischen bis auf das Skelett. Aus Stahldraht Treppen fertigen, durchsichtig und wie schwebend. Ich laufe in den vierten Stock, schließe die Augen, sehe: Wald. Bäume, Äste, Rinde, Sträucher. Die Wände bewachsen mit rankenden, schlingenden Pflanzen, Efeu, Knöterich, auch Blumen. Weicher Boden, Unterholz, federnd, moosig. Bei jedem Schritt das Knacken kleiner Ästchen. Hinter Büschen und in Wipfeln vermutet man ganz automatisch Leben, Bewegung. Aber da ist nichts. Lebendige Leere. Dieser Wald ist nur eine Schicht Wald, zwei Meter fünfzig Deckenhöhe.
Dann, hinter einem Hügel: Hausschweine, ein kleines Rudel, Eber, Sau und Ferkel, Vorderteile naturalistisch, Hinterteile skelletiert, aalen sich im Blut, das ein pinkes Pony mit lackierten Hufen auf die Lichtung erbricht. Zwei Schwäne verstecken sich hinter einem Holunderstrauch, Energiesparlampen leuchten am Ende ihrer langen Hälse und man meint, die Decke sei schwarz gestrichen, als sei auf immer Nacht in diesem Wald. Bis man endlich genauer hinsieht und erkennt: es sind Fliegen, Kakerlaken, Mistkäfer, millionenfach. Ein kopfüber hängendes Meer aus Insekten und im dämmrigen Licht wird man misstrauisch, was man bisher erkannt zu haben glaubte: Sind die Bäume wirklich Bäume? Ja, wenigstens zum Teil. Einzelne Äste, erkennt man, wenn man nah genug heran geht und vielleicht ein Feuerzeug zu Hilfe nimmt, sind Kuhbeine, dünne Ästchen und Stöcke – sind es Vogelbeine? Manche Wipfel mögen aus Gräten bestehen und sicherlich nicht alle Blätter betreiben Photosynthese, einige sind Schmetterlinge, andere ledern oder aus Knochen gesägt. Mischwesen aus Tier und Pflanze. In Astlöchern wohnen Augen, wuchern Schwänze. Man könnte sich gruseln oder fürchten, manchmal ist der Geist dumm und klein und verstellt den Blick auf kunstvolle Schönheit. Thema dieser Landschaft ist die Schönheit. Ist Symbiose. Transplantation. Freundliche Übernahme. Grenzüberschreitung. Ich liege gern an diesem Ort und atme eine neue Form der Liebe. Hier fühle ich mich wohl und geborgen. Hier träume ich im Traum. Schließe hinter meinen Augen die Augen und denke mich weg in einen tieferen Raum, hier hole ich das Material für mehr.