Der Klang der Straßen

geschrieben am 02.08.2011

Oldenburger Straßen, in denen ich dem Namen nach gerne leben würde:

Rummelweg
Herbstweg
Kummerkamp
Schafjückenweg
Quendelstraße
Zuschlag
Flötenstraße
An der großen Wisch
Auf der Düne
Brummelweg
Ellenbogen
Iprump
Sieben Bösen

Oldenburger Straßen, in denen ich dem Namen nach nicht so gerne leben würde:

Schamhorststraße
Stumpfer Weg
Schramperweg
Sackhofsweg
Dreschkamp
Dwaschweg
Drögen-Hasen-Weg
Bäkeplacken
Sodenstich
Wahnbäkenweg
Karl-Huber-Straße

Oldenburger Straßen, die sich für meinen Geschmack mit ihrem Namen ein bisschen zu sehr ins Zeug legen:

Harmoniestraße
Nobelstraße
Wunderburgstraße
Am Meere
Lustgarten
Nymphenweg
Im Engelland

Ein Vorschlag zur Güte

geschrieben am 07.08.2011

2011_08_07_Bild1_grossIn Ordnung, Oldenburg, machen wir uns nichts vor. Das mit dem Sommer wird nichts mehr. Mir wird schon im Internet ganz kalt. Ich friere beim GoogleMapen von Eisdielen, dem „San Marco“, dem „Florenz“, dem „Venezia“ und „Zebrano“, all diesen auf einmal höhnisch klingenden Orten. Ich friere auf der Homepage vom Freibad Flötenteich, ich friere bei den Google Treffern zu „Tretboot Oldenburg“, zu „Biergarten Oldenburg“, zu „Freiluftkino Oldenburg“. Verzweifelt fröstelnd google ich „Sommer Oldenburg“, doch der einzig hilfreiche Eintrag ist der „Heißmangelbetrieb Sommer“ im Melkbrink 12, der auf einmal sehr verlockend und sehr notwendig erscheint.

Auf youtube findet sich sogar ein Video von einem Flashmob, der den Sommer in den Norden singen wollte – erfolglos, wie wir heute wissen. Besser machte es da ein Flashmob im Jahr 1959. Im Netz findet sich nur ein Foto davon (siehe Abbildung). Wenn ich es richtig deute, haben sich anscheinend damals einfach alle Oldenburger dazu verabredet, gemeinsam ins Huntebad zu gehen. Man wärmte sich gegenseitig. Kein kühler Luftzug, kein Regentropfen passte zwischen Haut und Haut. Man war nichts als ein verschworener, wohlig warmer Knäuel. Komm, Oldenburg, das schaffst du noch einmal. Sag mir rechtzeitig Bescheid.

Welcome to Oldenburg, Texas

geschrieben am 09.08.2011

2011_08_09_Bild1_grossTexas war noch etwas mehr Texas im Jahr 1886, und entweder Gus Steenken oder Johann Schmitt war müde. Es war ein langer Ritt nach Westen. Er konnte nicht mehr. Es war heiß. In der Ferne schimmerte der Lake Fayette. Gus Steenken oder Johann Schmitt stieg von seinem Pferd, schaute sich kurz um und gründete Oldenburg, Texas.

Ein Jahr später öffnete ein Postamt, aus dem man Telegramme an die Freunde zu Hause aufgeben konnte, wenn man so etwas gehabt hätte: Freunde, zu Hause.

Man handelte mit Baumwolle. Viel mehr gab es in dieser Gegend auch nicht. Es lief nicht gut, aber auch nicht besonders schlecht: zwei Läden gab es Anfang des 20. Jahrhunderts in Oldenburg, Texas, es gab einen Saloon, eine Arztpraxis, einen Hufschmied, und sogar eine Tanzhalle, in der Gus Steenken oder Johann Schmitt in einer Nacht drei Ohrfeigen erhielt oder austeilte, da gehen die Meinungen auseinander. 1908 raffte ihn die Tuberkulose dahin. Er wurde unter einer jungen Weihrauch-Kiefer bestattet, weil irgendjemand gehört hatte, dass Gus Steenken oder Johann Schmitt Weihrauchkiefern mochte.

1950 lebten 150 Menschen in Oldenburg, Texas, und sie ahnten nicht, dass sie sich in der Blütezeit der Stadt befanden. Man dachte wenig an die Zukunft und wenn doch, dann blinzelte sie einem vielversprechend zu.

Vielleicht wusste sie es auch nicht besser, die Zukunft. Ein paar Jahre später schon begann die Baumwollproduktion zu lahmen, 1965 machte das Entkörnungsunternehmen bankrott, 1983 wurde die Hufschmiederei versteigert. Sie steht heute in einem Historischen Themenpark ein paar Meilen südlich im Fayette Country.

Zwei Jahre später schlossen die letzten Geschäfte in Oldenburg, Texas. Die Einwohnerzahl betrug 54. 1990 betrug sie das immer noch. Im Jahr 2000 waren es 30.

Die Weihrauchkiefer, unter der Gus Steenken oder Johann Schmitt begraben wurde, fiel im Jahr 2005 aus ungeklärten Gründen einfach um und erschlug dabei einen Hund. Menschen kamen nicht zu Schaden.

Wish you were here

geschrieben am 13.08.2011

2011_08_13_Bild1_grossIch wollte aus meinem Urlaub eigentlich eine elektronische Postkarte schicken, aber anscheinend hatte ich mir eine falsche Adresse gemerkt. Hier ist sie also noch einmal, portofrei:

Liebes Oldenburg,

viele Grüße aus Frankreich. Die Internetverbindung hier ist sehr laissez faire, savoir vivre, comme ci comme ça, du weißt schon, und du bist dadurch noch weiter entfernt als sonst.

Ich hoffe aber, dass es dir gut geht. In der NWZ las ich, dass deine Einkaufsstraßen im bundesweiten Beliebtheits-Vergleich nur noch auf Platz 90 landen. Das ist mir sehr sympathisch. Ich mag keine Einkaufsstraßen. Einkaufsstraßen machen nicht glücklich. Ich finde, dein Ziel für nächstes Jahr sollte werden, stolzer Besitzer der unbeliebtesten Einkaufsstraße Deutschlands zu sein. Damit könnte man werben, damit könnte man Buttons und T-Shirts bedrucken. „Oldenburg – wo man ungern shopt“ oder „Oldenburg – wir haben Besseres zu tun“. Ich drücke dir die Daumen. Huch, jetzt ist die Karte schon voll. Viele Grüße, dein virtueller Stadtschreiber

Zeitsprung

geschrieben am 16.08.2011

2011_08_16_Bild1_grossEs scheint eine recht kurze Mode in Oldenburg gewesen zu sein, von der Amalienbrücke in die Hunte zu springen. Drei der vier Videos auf youtube von diesem Zeitvertreib stammen aus dem Herbst 2007 (dies, dies und das), das vierte, ein typischer Nachzügler, folgte drei Jahre später.

Es sind ausnahmslos junge Männer, die da springen. Und natürlich denkt man sofort an Mutproben, an verlorene Wetten, an einen Initiationsritus. Als Nichtvonderamalienbrückegesprungenhabender war man damals einfach kein richtiger Mann, der Bartwuchs stockte, die Stimme brach weiter, die Haut machte, was sie wollte. Vielleicht gibt es auch eine alte friesische Sage, in der ein Held nach einem solchen Sprung unverwundbar wurde bis auf die Stelle am Handgelenk, weil er vergessen hatte, seine Digitaluhr auszuziehen.

Vielleicht muss man die Sprünge aber auch einfach als Symptom ihrer Zeit ansehen. Ich kann mich an den Herbst 2007 kaum noch erinnern. Ich muss bei Wikipedia nachschauen, was da alles passiert ist. Es gab eine Blauzungenkrankheit, es gab Erwin Huber als neuen CSU-Vorsitzenden, es gab eine ehemalige Tagesschausprecherin mit putzigen Thesen zum Mutterbild. Alles Dinge, die man schon damals schleunigst vergessen wollte.

Und als junger Mann sehnte man sich wahrscheinlich nach nichts so sehr wie nach der Geradlinigkeit eines Sprungs, nach der Eindeutigkeit eines Aufpralls, der Klarheit von herbstlichem Huntewasser.