Mein fehlender Neid auf Nadorster Enten

geschrieben am 15.11.2011

2011_11_15_Bild1_grossWas ist denn los, Oldenburg? So still ist es um dich geworden in letzter Zeit. Ist das schon der Winter? Sitzen schon alle zu Hause in kuscheligen Wollpullovern, die Hände an die Teetasse geschmiegt, die Gedanken schon beim Weihnachtsbummel? In die Schlagzeilen schafft man es jedenfalls dieser Tage schon, wenn man auf originelle Weise ausparkt oder sich ein paar Hundert Euro unter den Nagel reißt. Selbst die Bilder auf Google Earth werden spärlicher. In Nadorst muss ich mit Enten Vorlieb nehmen. Enten. Enten, die sofort aufhören, sich für mich zu interessieren, als sie feststellen, dass ich kein Brot dabei habe. „Brot ist nicht gut für eure Mägen“, erkläre ich ihnen. „Brot lagert sich im See ab und verändert das gesamte Ökosystem, das kann nicht in eurem Sinne sein“, erkläre ich, und die Enten erklären mir, dass sie an Nachhaltigkeit nicht so interessiert seien, an Brot seien sie interessiert, aber da seien sie bei mir wohl an der falschen Adresse. Ob ihnen denn nicht auch langweilig sei, frage ich. Ob sie denn nicht etwas vermissen würden, irgendetwas Großes, Rauschendes. Die Enten schauen mich skeptisch an. Nö, sagen sie. Was Großes sei ja meistens ein Raubvogel, und was Rauschendes meistens ein Wasserfall, auf beides könnten sie ruhig verzichten. Und ob ich sie jetzt bitte entschuldigen würde, sie müssten noch ein wenig herumschwimmen und quaken. Ich schaue ihnen nach, wie sie auf dem Flötenteich ihre Bahnen ziehen und wäre gerne neidisch auf sie, aber ich bin es nicht.

Die Regenbogenruine in Ofenerdiek

geschrieben am 20.11.2011

2011_11_20_Bild1_grossEs geht doch voran in Oldenburg. Überall herrscht gerade angeblich Bauboom, und die neue Stadtbaurätin möchte Spuren hinterlassen, sogar positive – doch in Ofenerdiek muss man immer noch mit einem seit Jahren unvollendeten Regenbogen leben.

Mitte der 1990er Jahre, in Zeiten des Wirtschaftsoptimismus, begann man dieses Projekt: ein riesiger, schillernder Regenbogen sollte das ganze Stadtviertel überspannen, als Zeichen für ein neues Selbstbewusstsein, nachdem Ofenerdiek über Jahrhunderte erst als Fischteich für den Grafen und dann als Kaiserliches Artilleriedepot dienen musste. Im Frühjahr 1996 wurde der Regenbogengrundstein gelegt, bis zum Herbst waren die ersten dreißig Meter fertig. Aber dann kam eines zum anderen: baurechtliche Einwände, Bürgerinitiativen dafür und dagegen, das Aufdecken eines Verfahrenfehlers in der Ausschreibung und schließlich deutliche Einschnitte im Infrastrukturbudget der Stadt. Im November 1996 beschloss man ein Moratorium, seitdem schwebt das Verfahren, an eine Vollendung glaubt niemand mehr.

In Ofenerdiek schaut man mit gemischten Gefühlen auf die Regenbogenruine. Für manche, wie Helga V. von der Bürgerinitiative „Klarer Himmel e.V.“, ist sie ein „Schandfleck im Straßenbild“ und sollte sofort vollständig abgerissen werden. Für andere macht gerade das Unfertige den Reiz aus. „So wirkt alles noch authentischer“, schwärmt Anwohner Holger K.

Zurzeit versucht die Interessengemeinschaft „Somewhere under the rainbow“ den Rest des Regenbogens mit privaten Mitteln zu finanzieren. Für die Farben Rot und Blau habe man bereits Großsponsoren finden können, heißt es. Als Gegenleistung werden Werbeflächen auf dem Regenbogen angeboten.

Das Hin und Her

geschrieben am 22.11.2011

2011_11_22_Bild1_kleinDie Zahlen sind konstant: 10000 Menschen ziehen pro Jahr aus Oldenburg weg, dafür kommen 11000 neue hinzu. Das bedeutet nicht nur, dass die Stadt bereits im Jahr 2850 die Millionengrenze sprengen wird, sondern auch, dass ein heilloses Durcheinander herrscht.

Vor allem, weil neben dem ganzen Zu- und Wegziehen auch noch ebenfalls 10000 Menschen pro Jahr innerhalb Oldenburgs umziehen.

Damit es nicht zu übermäßigen Staus auf Straßen,  in Treppenhäusern und IKEA-Schlangen kommt, schlägt die Stadt nun eine geordnete Mobilität vor: Zunächst sollten die 10000 Wegziehenden ihre Wohnungen räumen, damit diese dann so reibungslos wie möglich von den 10000 Umziehenden belegt werden können. In einem letzten Schritt haben sich dann die 11000 Neu-Oldenburger auf die von den Umgezogenen verlassenen Wohnungen zu verteilen.

Wie bei „Reise nach Jerusalem“ bleiben leider erst einmal 1000 Zugezogene übrig, die vorübergehend beim Oberbürgermeister übernachten können (bitte Isomatte mitbringen und den Namen in den Putzplan eintragen), bis die neuen Wohnquartiere auf dem ehemaligen Telekomgelände oder der Doktorsklappe fertig gestellt sind.

Noch idealer, vor allem für den Oberbürgermeister und seine Nebenkostenrechung, wäre es, wenn die 1000 Zugezogenen, die nicht auf Anhieb eine freistehende Wohnung bekommen, übergangsweise bei Freunden in der Stadt wohnen könnten, was allerdings zur Voraussetzung hat, dass überhaupt solche Freundschaften existieren. Am ehesten wäre das der Fall, wenn die Zugezogenen schon einmal in Oldenburg gelebt haben, also schlägt die Stadt nun vor, ob nicht pro Jahr mindestens 1000 der im Vorjahr Weggezogenen wieder zurückziehen könnten, dann hätten sie doch auch genug von der Welt gesehen, ein Jahr ist schließlich eine lange Zeit. Und wenn man schon am vereinfachen ist, könnten doch die 10000 Umzieher ganz aus der Stadt ziehen, dann wäre die Quote erreicht und niemand anderes müsste das mehr machen. Oder am besten: Alle bleiben, wo sie sind und überzeugen per Facebook jährlich 1000 Freunde, zu ihnen nach Oldenburg zu ziehen. Die Isomatten stellt dann sogar die Stadt. Auf Wunsch mit aufgenähtem Wappen und neuem Slogan: „Aktion 2850 – ich war dabei.“

Die Geister von Ohmstede

geschrieben am 27.11.2011

2011_11_27_Bild1_grossEinige Oldenburger werden sich daran erinnern, dass Ohmstede noch bis weit in die 1970er Jahre ein beliebtes Stadtviertel für Geister aller Art war. Zeitweise lebten dort bis zu sechshundert von ihnen, und zwar alles andere als schlecht. Es gab Geistercafés und Geisterfrisöre, es gab Geisterbekleidungsgeschäfte und mit dem legendären GTV Ohmstede den ersten Geisterturnverein Deutschlands. Bei der Kommunalwahl 1972 errang Willibert von Schreckenstein sogar kurzzeitig einen Sitz im Stadtrat, bevor er wenige Wochen später wegen der sogenannten Betttuch-Affäre zurücktretet musste.

All das ist lange her. Im Juni 2009 verließ Casper der Preis-Geist als letzter seiner Art das Stadtviertel. Die Gründe sind bekannt: steigende Mieten, das Einstellen der Geisterbahn nach Brake im Jahr 1976 und schließlich Oldenburgs Bewerbung als Stadt der Wissenschaft, bei der alles Übernatürliche notdürftig aus dem Stadtbild entfernt werden musste.

Casper der Preis-Geist lebt jetzt zurückgezogen in der Nähe von Elsfleth. Und in Ohmstede hat man sich an die Stille nach Mitternacht längst gewöhnt. Man geht schließlich mit der Zeit und hofft, dass sie den Weg kennt.

Das Glyzinienproblem von Osternburg

geschrieben am 01.12.2011

2011_12_01_Bild1_grossSie kommt scheinbar aus dem Nichts. Sie ist blitzschnell und ihr Appetit kennt keine Grenzen. Die Rede ist von der Osternburger Glyzinie (Wisteria Osternburgiae). Jahr für Jahr fallen ihr in diesem Stadtteil durchschnittlich fünfzehn Häuser zu Opfer. Die Bewohner sind meist machtlos. Um ihr Haus überhaupt verlassen zu können, müssen sie morgens mit Buschmessern notdürftig im Türbereich Löcher schlagen, die bis zum Abend längst wieder zugewuchert sind. An Tageslicht im Wohnbereich ist nicht mehr zu denken, Mobiltelefone verlieren ihren Empfang, das Rascheln der Blätter und das Schmatzen der Blütenstände lässt Gespräche unmöglich werden. Darüber hinaus werden die Einsparungen in den Heizkosten aufgrund der erhöhten Isolation sofort wieder ausgeglichen durch die erhöhten Ausgaben für Rinderrollbraten. Rinderrollbraten ist die einzige Nahrung, die die Osternburger Glyzinie akzeptiert und ihre Aufmerksamkeit von der Bausubstanz abzulenken vermag, und auch von den Haustieren, die sie sonst als Zwischenmahlzeiten schätzt.

„Ja, es gibt ein Glyzinienproblem. Und ja, wir arbeiten fieberhaft an einer Lösung“, versprach Stadtrat Peter Windhorst bereits im Jahr 2009, aber bislang blieb das ein leeres Versprechen. Nun ist für 2012 zumindest ein Glyzinienfreier Sonntag in der Diskussion, der allerdings von der Opposition und auch von den Glyzinien selbst harsch kritisiert wird. Stattdessen wird vorgeschlagen, aus der Not eine Tugend zu machen, und die Osternburger Glyzinie als Alleinstellungsmerkmal der Stadt mit ins Entwicklungsprogramm „step25“ aufzunehmen. Am Motiv „Talente, Toleranz, Technologie, Tradition und Hülsenfrüchtler“ wird noch gefeilt.