3. Besuch der Erftenmoder: Tee

Wenn jemand an der Tür klingelt, finde ich, dann liegt es in seiner Verantwortung, sich vorzustellen, sein Anliegen vorzutragen, zu grüßen und sich zu erklären. Aber die Erftenmoder tut nichts davon. Sie steht bloß in meinem Flur und schaut mich an, und ich kann nicht glauben, dass sie den ganzen Weg aus dem Norden und bis hierher auf sich genommen hat, nur um geheimnisvoll zu schweigen. Langsam, leise raschelnd, schreitet sie meinen Flur entlang und bis ins Wohnzimmer. Ich folge ihr und bleibe wachsam im Türrahmen stehen.

„Warm hier“, stellt die Erftenmoder fest. Ihre Stimme klingt rau und tief und nicht so, wie ich es erwartet habe, auch wenn ich nicht genau sagen könnte, welche Art Stimme ich mir vorgestellt hatte. „Altbau“, sagt die Erftenmoder und schaut zur Stuckdecke hinauf. „Danke“, sage ich, und dann fällt mir auf, dass die Erftenmoder mir eigentlich kein Kompliment gemacht hat. Tatsächlich betrachtet sie meine Wohnung mit gerunzelter Stirn. Sieht sich missbilligend im Wohnzimmer um, sieht sich missbilligend im Schlafzimmer um, und auch in der Küche verzieht sie die schmalen, beinahe farblosen Lippen und rümpft die Nase, als stiege ihr ein unangenehmer Geruch in die Nase.

„Hier arbeiten Sie also“, sagt die Erftenmoder.

„Ja“, sage ich. „Meist trinke ich aber bloß Kaffee oder schaue mir Horrorfilm-Trailer an.“

Die Erftenmoder sagt, dass ich bei meiner Arbeitsmoral ja großes Glück hätte, in den goldenen Zeiten des Künstler-Prekariats zu leben, und mich nicht mit ernsthafteren Tätigkeiten wie der Ernte von Erbsen beschäftigen müsse. Ich räume ein, dass sie da wahrscheinlich recht hat. Dann kommt mir ein Geistesblitz. „Möchten Sie vielleicht einen Tee?“, frage ich. Und füge stolz hinzu: „Ich habe sogar Ostfriesenmischung da.“

Die Erftenmoder neigt den Kopf, auf eine majestätische Weise, mit dieser besonderen, irgendwie gelangweilten Geduld, die selbst die kleinsten Gesten schwer und bedeutungsvoll erscheinen lässt. Ihre Lider schließen sich langsam und für einen kurzen Moment. Es ist ihr vollkommen gleich, ob ich ihr Tee serviere oder nicht, sagt mir dieses Nicken. Aber sie wird ihn aus Höflichkeit trinken. Ich hole meine guten Tassen hervor und die schöne Teekanne, setze das Wasser auf und trage kurz darauf alles ins Wohnzimmer. Dort sitzen wir dann, ein wenig befangen, bevor ich der Erftenmoder schließlich Tee einschenke. Sie nimmt einen bedächtigen Schluck. Ihre Mundwinkel zucken, sie spitzt die Lippen, als hätte sie auf etwas überraschend Hartes oder Saures gebissen. Mit ihren grünen Erbsenaugen sieht sie mich vorwurfsvoll an.

„Es ist das Wasser!“, sage ich. „Ich kann nichts dafür. Im Süden schmeckt der Tee anders als im Norden, und im Westen anders als im Osten. Das liegt bloß am Wasser“, sage ich. Die Erftenmoder schiebt ihre Tasse über den Tisch und von sich fort. „Jetzt aber zur Sache“, sagt sie.

„Zur Sache?“, frage ich.

„Na, ich bin sicher nicht zum Vergnügen hier“, sagt sie, in einem Ton, der keinen Zweifel daran lässt, wie unwahrscheinlich es ist, dass irgendwer mich je zum Vergnügen besuchen könnte.

„Ach nein. Warum dann?“, frage ich und nehme einen kräftigen Schluck meines schwachen Ostfriesentees.