6. Auf nach Oldenburg: Was mich erwartet

Ich fahre nach Oldenburg. Wenn ich schon einmal ein Sparticket habe, warum nicht? In Wahrheit aber ist es die reine Angst, die mich zum Berliner Hauptbahnhof treibt. Wenn ich der Anweisung der Erftenmoder nicht folge, denke ich, wird sie nur wieder vor meiner Tür stehen, und das gilt es zu vermeiden.
Im Zug habe ich Zeit und Muße, weiter über die Erftenmoder nachzudenken. Warum ausgerechnet ich?, frage ich mich, und ich frage es mich mit einigem Unbehagen. Ich bin ja nie eine große Abenteurerin gewesen. Ich fürchte mich oft und reise nicht gern. Auf der anderen Seite liebe ich es, mir Horrorfilme anzuschauen, und vielleicht reicht das aus, um mich für unheimliche Abenteuer zu qualifizieren. Ich kenne zumindest die ein oder andere Verhaltensregel, habe eine grobe Vorstellung davon, was mich in Oldenburg erwarten wird. Ich bin eine junge, blonde Frau auf Reisen an einem fremden, möglicherweise verfluchten Ort. Es ist also wahrscheinlich, dass ich in absehbarer Zeit in einen Brunnen klettern, dass ich über einen Friedhof schleichen und ein Grab ausheben werde, nur um einen unerklärlicherweise leeren Sarg vorzufinden. Es ist außerdem wahrscheinlich, dass ich mir Zugang zu einem verlassenen Haus verschaffen muss, wo ich durch vermoderte Bretter in einen Keller einbrechen werde, dass ich in einer stürmischen Nacht in einer Kirche Zuflucht suchen will, aber noch auf dem Weg dorthin von einem umstürzenden Baum erschlagen werde. Auf all diese Dinge habe ich nicht unbedingt Lust, aber ich werde meiner Pflicht natürlich nachkommen. Um mich gut vorzubereiten, starre ich in die Zigarrenkiste der Erftenmoder und versuche, nicht an Hermann Holmer und seine exotischen Blumen zu denken.