16. Das schreiend Ding (3)

Wir haben uns mit dem Studenten vor der Cafeteria der Universität verabredet. Auch an diesem Tag ist es heiß, jahresuntypisch heiß. Ich halte es für möglich, dass das etwas mit der Klimaerwärmung zu tun hat, bin mir aber nicht sicher. Irgendwo habe ich gelesen, dass Klimaerwärmung hier in unseren Breitengraden genau das Gegenteil von dem bedeutet, was man annehmen würde: Kälte, nicht Wärme. Wie auch immer: Obwohl der Herbst vor der Tür steht und wir hier ja eher im Norden des Landes sind, wollen die Temperaturen nicht fallen, im Gegenteil.
Der Student hat vorgesorgt und für uns in der Cafeteria drei Flaschen Biozisch gekauft. Rhabarber. Ich mag Rhabarber-Schorle nicht, ich mag Rhabarber so wenig wie Erbsen, aber der Student hat uns schließlich einen Gefallen tun wollen, und so nippe ich anerkennend lächelnd an meiner Rhabarberschorle.
Genug Zeit verschwendet, das Unheimliche wartet auf niemanden. Wir durchqueren das Unigebäude, lassen uns auf der anderen Seite von Sonne und Hitze begrüßen und betreten die Haarenniederungen. Der Student führt uns zunächst einen schmalen Pfad entlang. Kaum, dass wir den Pfad betreten haben, bemerke ich, dass sich die Hitze verflüchtigt zu haben scheint. Hier in all dem Grün kommt es mir kühler vor. Das mag mit dem Wasser zu tun haben oder mit etwas anderem, das ich noch nicht verstehe.
Eine Weile laufen wir stumm entlang der Haaren. Ich spitze die Ohren und lausche auf mögliches Heulen, Wimmern, Jaulen oder Schreien, aber es ist sehr still, nur in der Ferne hört man die Studenten, die lachen und Biozisch trinken und über die Geschehnisse in der Welt diskutieren und über Foucault und über das Essen in der Mensa.
Das Wasser der Haaren scheint auffällig dunkel, suppig und irgendwie schwarz. Da fallen mir die Reagenzgläser wieder ein, die mir die Erftenmoder in Herman Holmers Zigarrenkiste hat zukommen lassen. Eines davon war mit schwarzem Wasser gefüllt, erinnere ich mich, das andere mit grünem. Bin ich wohlmöglich auf einer Spur?