17. Das schreiend Ding (4)


Detektive müssen ans Warten gewöhnt sein. Tatsächliche genauso wie virtuelle. Der Student, der Bekannte und ich setzen uns eine Weile ins Gras. Es ist so heiß und ich bin so durstig, dass ich irgendwann anfange, von meiner Rhabarber Schorle zu trinken.

Nichts passiert.
Das heißt irgendwo in der Welt passiert natürlich schon etwas. Immerzu passen ja irgendwo irgendwelche Dinge, aber hier im Biotop, in Oldenburg passiert nichts.
Der Vormittag geht in den Mittag über und der Mittag in den Nachmittag und immer noch nichts. Auf meinem Handy lese ich einen Wikipedia Eintrag über die Haaren, in dem ich viele kritische Untertöne bemerke, die ich mir aber auch nicht näher erklären kann.
„Das gesamte Gewässersystem der Haaren stellt sich heute sehr wenig naturnah und strukturell stark überformt dar“, heißt es etwa. (Wikipedia, https://de.wikipedia.org/wiki/Haaren_(Fluss), 03.01.2017)
Wenig naturnah und stark überformt. Klingt unfreundlich, finde ich, unnötig vorwurfsvoll, finde ich. Ich zumindest fühle mich sehr naturnah, wie ich so am schwarzen Wasser sitze und auf das schreiend Ding warte. Ich lese weiter.
„Das faunistische Artenspektrum im Stadtgebiet von Oldenburg ist gering, ökologisch wenig anspruchsvoll und kaum bedeutsam.“ (Wikipedia. https://de.wikipedia.org/wiki/Haaren_(Fluss), 03.01.2017)
Harsch, finde ich. Aber jeder weiß, dass man sein Wissen über die Welt nicht allein von Wikipedia beziehen sollte, und deswegen beschließe ich, meine Ohren und Augen weiter offen zu halten.
Wenn man nur lange genug ins schwarze Wasser der Haaren schaut, wird man irgendwann schläfrig. Wir dösen vor uns hin, bis mein Bekannter plötzlich den Kopf hebt. Ihn ein wenig schräg legt, hinüber zur Haaren sieht und dann wieder zu uns.
„Hört ihr das auch?“, fragt er.
Und ich will gerade den Kopf schütteln, als ich tatsächlich etwas höre.
Kein Schreien, das nicht, auch nicht unbedingt ein Heulen. Eher eine Art Summen. Es summt, als schwebe da ein gewaltiges Insekt durch die Büsche. Der Student, der Bekannte und ich springen auf. Uns ist ganz plötzlich mulmig zumute, und erst jetzt, viel zu spät, bemerken wir, dass der Himmel sich bereits dämmrig grau gefärbt hat. Nicht mehr nur das Wasser der Haaren ist dunkel, auch in den Himmel hat sich bereits ein wenig Nacht geschlichen.