Falsche Strophe

geschrieben am 19.06.2012

Da liefen wir also in einem kleinen Stadion in Haifa, um 16 Uhr. Die ca. 30 Grad machten uns „alten Männern“ von der Autorennationalmannschaft schon das Warmlaufen schwer. Wir trugen den schwarz-weißen Dress der „echten“ Nationalspieler, nur dass auf unserem „DFB-Kulturstiftung“ stand. In wenigen Minuten würden in diesem Stadion die Nationalhymnen für die beiden Mannschaften gespielt werden. Die dafür Verantwortlichen wärmten sich offensichtlich auch auf, denn es waren immer wieder laute Musikfetzen zu hören. Und dann plötzlich für ein paar Sekunden, aber deutlich zu erkennen: Die schreckliche erste Strophe unserer Nationalhymne. „Deutschland, Deutschland über alles“ hallte es durch das leere Stadion. Ausgerechnet in Israel. Es durchzuckte uns alle und mindestens fünf deutsche Spieler wiesen auf diesen Fehler hin. Gespielt wurde später eine instrumentale Version, aber mir stellte sich zum wiederholten Mal die Frage, warum wir es in unserer bewegten Nachkriegsgeschichte nicht geschafft haben eine Nationalhymne zu dichten, bei der diese Verwechselungsgefahr nicht besteht. (Das Turnier haben wir leider verloren. 1:1 gegen Israel, 1:2 gegen Italien. Die Italiener gewannen gegen Israel und damit das Turnier.)

Von Jerusalem nach Oldenburg

geschrieben am 21.06.2012

Ich hänge mit meinen Gedanken immer noch dem Israelbesuch nach. Vier Tage Haifa und dann hatten wir noch 24 Stunden Zeit in Tel Aviv. Ich habe mit einem deutschen Mitspieler einen Linienbus bestiegen, weil ich es nicht aushielt in Israel gewesen zu sein, ohne Jerusalem zu sehen. Die Klagemauer, die Grabeskirche, den Tempelberg. Ich habe ein wenig mehr von diesem Land verstanden, von dem großen Sicherheitsbedürfnis und von der wachsenden Rolle der russischen Einwanderer. Russisch hat das Englisch als zweite Sprache in Israel längst verdrängt, oder ist zumindest auf dem Weg dahin. In den Souvenirshops konnte man auf vielen Andenken Hebräisches lesen, aber fast noch häufiger Russisches. Das führt mich wieder nach Oldenburg. Denn die jüdische Gemeinde feiert hier am 6. August ihren 20. Geburtstag.  Rabinnerin ist die 33jährige Alina Treiger, eine der wenigen Frauen ihres Berufstandes. Geboren in der Ukraine, hat sie in Potsdam studiert. Ihre Arbeit in Oldenburg stellt sie unter ihren Ordinationsspruches aus dem 5. Buch Mose, der, wie sie sagt, bedeutet, dass man alles, was man tut, mit Verstand und auch mit dem Herzen angehen sollte. Sie spricht fünf Sprachen und eine davon ist natürlich Russisch.

Leerstelle

geschrieben am 26.06.2012

Warum gibt es bei dieser EM eigentlich keine Nationalspieler von Werder Bremen? Gut, Tim Wiese, aber der ist ja schon mit anderthalb Beinen in Hoffenheim. Was auch immer er da will. Denn auch wenn Werder vielleicht nicht mehr die finanziellen Möglichkeiten hat, wie in den Champions-League-Jahren, immerhin schlägt da ein großes sympathisches grünes Herz an der Weser, das man in Hoffenheim lange suchen kann. Mertesacker, bei Arsenal. Marin, bei Chelsea und auch gar nicht nominiert. Mir fehlen die Bremer in der Nationalmannschaft. Frings oder Borowski. Ich habe bei meinen kurzen Besuchen in Oldenburg die große Liebe der Region zu ihrem Verein gesehen. Das geschwungene W im Bahnhof, auf Kaffeetassen oder Schulranzen. Was ist los mit dem Duo Allofs – Schaaf? Fehlt ihnen das Glück oder ist ihnen plötzlich der Sachverstand in die Weser gefallen? Seit Jahren gehe ich mit meinem Neffen Bjarne zu den Werderspielen in Berlin. Durch Mirolslav Klose wurde er zum Werderfan. Nun ist Hertha abgestiegen und wir müssen ein Jahr aussetzen, aber ehrlich gesagt: Der Junge schwächelt. Die beiden letzten Spiele hier in der Hauptstadt waren schrecklich anzusehen. Von beiden Seiten. Und dann gibt es da in Dortmund plötzlich ein Team, das mit jungen Spielern und einem verrückten Trainer die Liga aufmischt. So wie Werder lange Zeit. Bjarne schielt nach Dortmund. Ich würde ihm gern Argumente für Werder geben. Nationalspieler zum Beispiel. Allofs übernehmen Sie!

Filmfest

geschrieben am 28.06.2012

Da verklagt ein Filmfestleiter drei Politiker, weil deren Aussagen dem Filmfest schaden. Torsten Neumann sieht offensichtlich seine Arbeit in Gefahr. Erstaunt bin ich über die Diskussionen in Oldenburg zum städtischen Filmfest. Weit über die Stadtgrenzen hinaus ist das bekannt als ein Ort, wo Filme gezeigt werden, die jenseits des Mainstreams laufen. Verfolgen kann man die Diskussion unter anderem hier: http://www.oldenburger-lokalteil.de/2012/06/18/zur-diskussion-was-dem-filmfest-leiter-zu-wenig-war/ . Im Oldenburger Lokalteil habe ich auch folgendes Zitat gefunden: SPD-Ratsherr Bernd Bischoff hatte angesichts der finanziellen Lage der Stadt gesagt: „Wenn wir in Oldenburg Schwierigkeiten haben, soziale Projekte zu fördern, aber 100.000 Euro ausgeben sollen, damit Prominente aus New York eingeflogen werden, müssen wir uns fragen, wofür wir stehen.“ Um 50 000 Euro will man die Förderung des Festivals kürzen, und ich frage mich, welche Hollywoodgröße für diese Summe auch nur die Augen aufmacht. Für ein Independent-Filmfestival dürfte diese Summe allerdings mehr sein als die halbe Miete. Kunst und Kultur kosten Geld. Man sollte ruhig nachfragen wo dieses Geld bleibt, aber es gegen soziale Projekte aufzurechnen ist fast schon unfair. Weil, um es mit Oskar Wilde zu sagen: Alle Kunst ist völlig nutzlos. Man bekommt nichts Fassbares dafür, aber vielleicht sieht man einen Film, der den Blick auf die Welt verändert. Nur ein kleines bisschen. Das wäre schon viel. Und werden denn die 50 000 Euro für soziale Projekte eingesetzt? Die Oldenburger sollten danach fragen. Noch hat die Stadt ein Filmfest, das über die Grenzen der Stadt hinaus einen guten Ruf genießt. Noch.

Anoia

geschrieben am 03.07.2012

Am Donnerstag steht Oldenburg eine Uraufführung bevor. „In der Reihe OPERation X gibt das Oldenburgische Staatstheater Musiktheaterprojekte bei Autorenteams in Auftrag, die neue Wege beschreiten – sei es in musikalischer Hinsicht, an ungewohnten Spielorten, mit Konzepten an den Schnittstellen zu anderen Künsten oder mit neuen Formen der szenischen Umsetzung.“ Für das neueste Stück, Anoia, wurden der Autor und Regisseur Alexander Müller-Elmau und der Komponist Gordon Kampe beauftragt. Mit Gordon Kampe habe ich ein Stipendium im Künstlerhof Schreyahn verbracht. Ich glaube das war 2008. Schreyahn ist eines jener idyllischen niedersächsischen Rundlingsdörfer, die aussehen wie das gallische Dorf bei Asterix. Dort saßen wir also, hörte den Nachtigallen und Feldlerchen zu und arbeiteten. Jeder in seinem kleinen Häuschen. Und abends haben wir manchmal vor dem Kamin gesessen im großen Bauernhaus des Künstlerhofes und über Musik und Literatur gesprochen und über das Leben. Bei einer gemeinsamen Veranstaltung entlockte Gordon einem mir völlig unbekannten Blasinstrument erstaunliche Töne. Harmonisch und sehr fremd. Außerdem ist er gelernter Elektroinstallateur, und das hat mir, als gelerntem Schlosser, natürlich gefallen. Anoia wird vom Oldenburger Theater so beschrieben: „In Anoia wird das Publikum auf eine Reise in das Innere mitgenommen: Wir begegnen Anoia, einer jungen Frau, eingesperrt und gefangen in sich selbst. Stimmen geistern durch den Raum und Klänge, die an Bachsche Kirchenmusik erinnern, werden von bacchantischen Tänzen unterbrochen. Der Abend schwankt zwischen Ritual, Séance und psychologischer Tiefenforschung und fragt nach den Grenzen zwischen Wahn und Sinn. Ein Gesamtkunstwerk mit Sängern, einer Tänzerin, einem Schauspieler und neun Musikern, das Fragen aufwirft und den nicht ganz alltäglichen Wahnsinn untersucht.“  Das hört sich doch nach einem Erlebnis an! (Donnerstag, 5.7.2012, 20 Uhr Exerzierhalle)